Gesetzestext

 

(1) Nicht der Pfändung unterliegen

1.

Sachen, die der Schuldner oder eine Person, mit der er in einem gemeinsamen Haushalt zusammenlebt, benötigt

a) für eine bescheidene Lebens- und Haushaltsführung;
b) für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit oder eine damit in Zusammenhang stehende Aus- oder Fortbildung;
c) aus gesundheitlichen Gründen;
d) zur Ausübung von Religion oder Weltanschauung oder als Gegenstand religiöser oder weltanschaulicher Verehrung, wenn ihr Wert 500 Euro nicht übersteigt;
2. Gartenhäuser, Wohnlauben und ähnliche Einrichtungen, die der Schuldner oder dessen Familie als ständige Unterkunft nutzt und die der Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen unterliegen;
3.

Bargeld

a) für den Schuldner, der eine natürliche Person ist, in Höhe von einem Fünftel,
b) für jede weitere Person, mit der der Schuldner in einem gemeinsamen Haushalt zusammenlebt, in Höhe von einem Zehntel

des täglichen Freibetrages nach § 850c Absatz 1 Nummer 3 in Verbindung mit Absatz 4 Nummer 1 für jeden Kalendertag ab dem Zeitpunkt der Pfändung bis zu dem Ende des Monats, in dem die Pfändung bewirkt wird; der Gerichtsvollzieher kann im Einzelfall nach pflichtgemäßem Ermessen einen abweichenden Betrag festsetzen;

4. Unterlagen, zu deren Aufbewahrung eine gesetzliche Verpflichtung besteht oder die der Schuldner oder eine Person, mit der er in einem gemeinsamen Haushalt zusammenlebt, zu Buchführungs- oder Dokumentationszwecken benötigt;
5. private Aufzeichnungen, durch deren Verwertung in Persönlichkeitsrechte eingegriffen wird;
6. öffentliche Urkunden, die der Schuldner, dessen Familie oder eine Person, mit der er in einem gemeinsamen Haushalt zusammenlebt, für Beweisführungszwecke benötigt;
7. Trauringe, Orden und Ehrenzeichen;
8.

Tiere, die der Schuldner oder eine Person, mit der er in einem gemeinsamen Haushalt zusammenlebt,

a) nicht zu Erwerbszwecken hält oder
b) für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit benötigt,

sowie das für diese Tiere erforderliche Futter und die erforderliche Streu.

(2) Eine in Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a und b sowie Nummer 2 bezeichnete Sache oder ein in Absatz 1 Nummer 8 Buchstabe b bezeichnetes Tier kann abweichend von Absatz 1 gepfändet werden, wenn der Verkäufer wegen einer durch Eigentumsvorbehalt gesicherten Geldforderung aus dem Verkauf der Sache oder des Tieres vollstreckt. 2Die Vereinbarung des Eigentumsvorbehaltes ist durch eine Urkunde nachzuweisen.

(3) Auf Antrag des Gläubigers lässt das Vollstreckungsgericht die Pfändung eines in Absatz 1 Nummer 8 Buchstabe a bezeichneten Tieres zu, wenn dieses einen hohen Wert hat und die Unpfändbarkeit für den Gläubiger eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der Belange des Tierschutzes und der berechtigten Interessen des Schuldners nicht zu rechtfertigen ist.

(4) Sachen, die der Schuldner für eine Lebens- und Haushaltsführung benötigt, die nicht als bescheiden angesehen werden kann, sollen nicht gepfändet werden, wenn offensichtlich ist, dass durch ihre Verwertung nur ein Erlös erzielt würde, der in keinem Verhältnis zum Anschaffungswert steht.

A. Normzweck.

 

Rn 1

Abs 1 verbietet die Pfändung von Gegenständen, die dem Schuldner zur angemessenen Lebensführung verbleiben müssen. Durch das Gerichtsvollzieherschutzgesetz vom 7.5.21 (BGBl I S 850) ist die Vorschrift neu gefasst worden, um sie an die veränderten rechtlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten sowie gewandelte gesellschaftliche Realitäten anzupassen. Insb werden in einige Pfändungsverbote Personen mit einbezogen, mit denen der Schuldner in einem gemeinsamen Haushalt zusammenlebt. Für die zeitliche Anwendbarkeit ist die Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung maßgeblich (BGH NJW-RR 22, 1651, 1652). Das Verbot der Kahlpfändung ist Ausfluss der in Art. 1 und 2 GG garantierten Menschenwürde bzw allgemeinen Handlungsfreiheit und beinhaltet eine Konkretisierung des verfassungsrechtlichen Sozialstaatsprinzips (Art. 20 I, 28 I GG). Dem Schuldner und seiner Familie soll die wirtschaftliche Existenz erhalten werden, um ein bescheidenes, aber der Würde des Menschen entsprechendes Leben führen zu können (BGH NJW-RR 22, 1651, 1652 [BGH 10.08.2022 - VII ZB 5/22]). Da die Befriedigung des Gläubigers nicht zu Lasten öffentlicher Mittel erfolgen darf, dürfen dem Schuldner bei der Zwangsvollstreckung keine Gegenstände entzogen werden, die ihm der Staat aus sozialen Gründen mit Leistungen der Sozialhilfe wieder zur Verfügung stellen müsste (BGH NJW-RR 04, 789, 790). Die Pfändungsverbote des § 811 dienen also dem Schutz des Schuldners aus sozialen Gründen im öffentlichen Interesse (BGHZ 137, 193, 197; BGH NJW-RR 04, 789, 790). Abs 2 privilegiert den Vorbehaltsverkäufer, der wegen einer Geldforderung aus dem Verkauf die unter Eigentumsvorbehalt verkaufte Sache pfänden will. Dem Gläubiger soll damit der aufwändige Umweg über Herausgabeklage und Vollstreckung nach §§ 883 ff erspart werden.

B. Auslegungsgrundsätze.

 

Rn 2

Die Auslegung der einzelnen Pfändungsverbote hat sich am Normzweck (s Rn 1) zu orientieren und muss dabei den Wandel der B...

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