Rn 4

Die Renten können aus einer gesetzlichen Grundlage resultieren, etwa den §§ 618 III, 843 BGB sowie §§ 30 AtG, 8 HaftpflG, 62 III HGB (RGZ 87, 82, 85) und 13 StVG. Zu den Renten nach § 844 BGB vgl Rn 13. Auf vertraglicher Grundlage geleistete Unfall- und Invaliditätsrenten unterliegen ebenfalls dem Pfändungsschutz (BGHZ 70, 206, 208). Ansprüche auf Leistungen aus einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung werden ebenfalls erfasst (BGH NJW 10, 374 [BGH 18.11.2009 - IV ZR 39/08] Rz 16, 31; NZI 10, 141 [BGH 03.12.2009 - IX ZR 189/08] Rz 8 mAnm Asmuß; 10, 777 Rz 41; BGH NZI 18, 705 [BGH 25.01.2018 - IX ZR 104/17] Rz 20; Jena r+s 01, 477; Karlsr OLGR 02, 114; Dietzel VIA 09, 6). Die Regelung konkurriert insoweit mit § 850 III lit b) (§ 850 Rn 32) und § 851c (Marwyk InsbürO 17, 401, 402). Sie begründet deswegen für Selbständige und nicht Erwerbstätige einen originären Schutz (LG Frankfurt ZInsO 20, 1495; Buchholz Personenversicherungen in der Insolvenz des Versicherungsnehmers, 2016, 68 ff). Bei ArbN und Beamten ermöglicht sie eine Billigkeitsentscheidung (Ahrens NJW-Spezial 10, 597). Da Berufsunfähigkeitsversicherungen typischerweise im Fall der Krankheit, der Körperverletzung oder des Kräfteverfalls eintreten, entspr ihre Leistungsvoraussetzungen nicht uneingeschränkt den Anforderungen der Pfändungsschutzregelung. Dennoch hat die höchstrichterliche Rspr bislang – soweit ersichtlich – nicht nach dem Grund für die Leistung der Berufsunfähigkeitsversicherung differenziert (BGH NZI 10, 141 Rz 8; ZIP 10, 1656 Rz 42 ff; Ahrens NJW-Spezial, 10, 597). Eine durch das Arbeitsverhältnis bedingte, aufgrund einer Stiftungsvereinbarung gezahlte Invalidenpension ist in Nr 1 einbezogen (LG Mainz ZVI 03, 174f). Auch testamentarische Zuwendungen mit entspr Zwecksetzung sind geschützt (St/J/Würdinger § 850b Rz 7). Ansprüche auf Leistungen aus einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung sollen deswegen unabtretbar sein und die Abtretung nicht durch eine Anordnung der Pfändbarkeit wirksam werden (LG Köln ZInsO 13, 1428).

 

Rn 5

Geschützt werden wiederkehrende Zahlungen bei Gesundheitsbeeinträchtigungen und Invalidität. Dazu gehören auch verrentete Geldleistungen, die zum Ausgleich blindheitsbedingter Mehraufwendungen gezahlt werden. Der Schutz besteht auch für rückständige Beträge, die in einer Summe geleistet werden (BGH NJW 88, 819, 820 [BGH 24.09.1987 - III ZR 49/86]; NJW-RR 10, 474 [BGH 03.12.2009 - IX ZR 189/08] Rz 8; Ddorf BeckRS 11, 16503). Zinszahlungen auf rückständige Leistungen unterliegen dagegen nicht dem besonderen Schutz aus § 850b I Nr 1. Der Schutz nach dieser Norm entfällt auch bei einer kapitalisierten Rente, weil der Schuldner dann auf den vollen Betrag zugreifen kann und keine dauerhafte Sicherung des Existenzminimums gewährleistet ist. Ein Schutz nach § 850i ist nicht ausgeschlossen. Den Anspruch auf Erstattung von Auslagen, die einem Geschädigten aus einer zeitweiligen Erhöhung seiner Bedürfnisse infolge der Verletzung erwachsen sind, hat das RG nicht dem Schutz von Nr 1 unterstellt (RGZ 87, 82, 85 f; außerdem Zö/Herget § 850b Rz 2; Anders/Gehle/Nober ZPO § 850b Rz 3). Ebenso wie nach dem Normzweck von Nr 2 nicht nur laufende, sondern auch einmalige Sonderzahlungen geschützt sind (vgl Rn 9), muss dieser Gedanke iRv Nr 1 gelten. Die Ersatzleistungen kämen nur der Gläubigerbefriedigung zugute und könnten nicht ihre Aufgabe einer kompensierenden Existenzsicherung erfüllen. Die Beitragsbefreiung für eine Lebensversicherung aufgrund einer mindestens 50 %igen Berufsunfähigkeit stellt keine Rente iSd Vorschrift dar (Hambg ZInsO 12, 978, 979; aA Hamm ZInsO 06, 878, 881).

 

Rn 6

Nach überwiegender Ansicht fallen Schmerzensgeldrenten nicht unter den Schutz von Nr 1, weil sie Genugtuungszwecken dienen und ihre Pfändbarkeit nicht durch eine Verrentung unterlaufen werden soll (Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Kessal-Wulf/Lorenz/Els § 850b Rz 9; Wieczorek/Schütze/Lüke § 850b Rz 17; Stöber/Rellermeyer Rz C.179). Als immaterieller Schadensersatz gem § 253 II BGB dient jedoch das sog Schmerzensgeld vorrangig Ausgleichszwecken. Da es bei einer Verrentung auch die Existenzgrundlage des Schuldners sichert, bildet es einen Anspruch iSv § 850b I Nr 1 (vgl Ddorf MDR 55, 674; außerdem Wieczorek/Schütze, 2. Aufl § 850b Anm B I a; außerdem § 850i Rn 27). Dafür spricht auch das argumentum e contrario zur kapitalisierten Rente. Wenn diese voll pfändbar sein soll, müsste umgekehrt der verrentete Schmerzensgeldbetrag dem Pfändungsschutz unterliegen.

 

Rn 7

Unanwendbar ist die Regelung bei einer an die Stelle der Rentenzahlung getretenen Kapitalabfindung etwa gem § 843 III BGB (Stöber/Rellermeyer Rz C.178; s.a. § 850i Rn 27). Das Unfallruhegehalt eines Beamten aus § 36 BeamtVG ist nicht in den Schutz von Nr 1 einbezogen, weil es eine Leistung mit Alimentationscharakter darstellt (OVG Saarlouis NJW 06, 2873, 2874). Nicht erfasst sind Renten nach dem BVG und der Sozialversicherungsträger, wie eine berufsgenossenschaftliche Verletztenrente gem § 56 ...

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