Gesetzestext

 

Bei Vergleichen, die vor einem deutschen Gericht geschlossen sind (§ 794 Abs. 1 Nr. 1) und deren Wirksamkeit ausschließlich vom Eintritt einer sich aus der Verfahrensakte ergebenden Tatsache abhängig ist, wird die Vollstreckungsklausel von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Gerichts des ersten Rechtszugs und, wenn der Rechtsstreit bei einem höheren Gericht anhängig ist, von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle dieses Gerichts erteilt.

A. Normzweck.

 

Rn 1

§ 795b wurde durch das 2. Justizmodernisierungsgesetz v 22.12.06 (BGBl I, 3416) in die ZPO aufgenommen. Mit dieser Vorschrift wurde die Zuständigkeit zur Klauselerteilung, deren Wirksamkeit ausschl vom Eintritt einer sich aus der Verfahrensakte ergebenden Tatsache abhängig ist, auf den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle übertragen. BGH und BAG hatten vor Inkrafttreten des Justizmodernisierungsgesetzes, soweit sich die für die Klauselerteilung notwendigen Tatsachen aus den Gerichtsakten ermitteln ließen, den Rechtspfleger als zuständig angesehen (BGH NJW 06, 776; BAG NJW 04, 701, 702 [BAG 05.11.2003 - 10 AZB 38/03]). Zweck des § 795b war die Vereinfachung des Klauselerteilungsverfahrens (Schuschke/Walker/Schuschke Rz 1). § 795b betrifft im Wesentlichen widerrufliche Vergleiche und Vergleiche, die für den Fall des Eintritts einer bestimmten Tatsache, so für den Fall der Rechtskraft einer Scheidung, abgeschlossen werden. Bei derartigen Sachverhaltsgestaltungen und auch in anderen Fällen, in denen die Wirksamkeit des Vergleichs ausschl anhand von Tatsachen zu beurteilen ist, die sich aus der Verfahrensakte ergeben, schien es ausreichend zu sein, den Urkundsbeamten und nicht den Rechtspfleger mit der Klauselerteilung zu betrauen.

 

Rn 2

Die Regelung des § 795b wird bei Abschluss von widerruflichen Vergleichen ihren Zweck nicht erreichen können. Die Vorschrift findet dann keine Anwendung, wenn der Vergleich auch ggü der gegnerischen Partei widerrufen werden kann; in diesem Fall bleibt der Rechtspfleger zuständig. Kann der Widerruf auch der anderen Vertragspartei ggü erklärt werden, ergibt sich die Bestandskraft des Vergleichs nicht allein aus der Verfahrensakte. Es reicht nicht aus, wenn der Urkundsbeamte sich durch die Parteien bestätigen lässt, dass ihnen kein Widerruf zugegangen ist (Schuschke/Walker/Schuschke Rz 4). Die sachgerechte Auslegung eines widerruflichen Vergleichs, ist die Zuständigkeit des Widerrufsadressaten nicht ausdrücklich festgelegt, ergibt jedoch, dass der Widerruf im Hinblick auf den prozessualen Teil dem Gericht ggü, im Hinblick auf den materiell-rechtlichen Teil dem Gegner ggü erfolgen kann; in beiden Fällen ist wegen der Doppelnatur des Vergleichs der Widerruf wirksam (§ 794 Rn 17).

B. Anwendungsbereich, Voraussetzungen.

 

Rn 3

§ 795b ist einschr dahin auszulegen, dass nur einfache Klauseln iSd § 724 vom Urkundsbeamten erteilt werden, nicht jedoch Klauseln für oder gegen den Rechtsnachfolger oder sonstige qualifizierte Klauseln, in denen die Vollstreckung nicht nur vom Bestand bzw Fortbestand des Vergleichs, sondern von weiteren Voraussetzungen abhängt (Schuschke/Walker/Schuschke Rz 3).

 

Rn 4

Die Tatsache, von welcher die Wirksamkeit des Vergleichs abhängt, muss sich aus der Verfahrensakte ergeben. Dies ist nicht nur die eigentliche Prozessakte; dies sind auch die in dem entsprechenden Verfahren beigezogenen Akten. Der Umstand, dass es sich um Beiakten handelt, muss den eigentlichen Prozessakten entnommen werden können; die Akten müssen somit ausdrücklich und aus der Verfahrensakte ersichtlich beigezogen worden sein.

C. Verfahren.

 

Rn 5

Instanzzuständigkeit besteht gem § 724 II. Der Urkundsbeamte des höheren Gerichts ist zuständig, wenn und solange der Rechtsstreit dort anhängig ist. Wird die Klausel erteilt, steht dem Schuldner die Möglichkeit der Klauselerinnerung nach § 732 offen; bei Ablehnung durch den Urkundsbeamten kann der Gläubiger befristete Erinnerung nach § 573 I einlegen; der Urkundsbeamte kann gem §§ 573 I 3, 572 I abhelfen. Wird auf die Erinnerung hin die Klausel erteilt, hat der Schuldner die Möglichkeit der Klauselerinnerung nach § 732, nicht dagegen diejenige der sofortigen Beschwerde nach § 573 II; § 732 geht als Spezialregelung vor (aA Hamm NJW-RR 90, 1277, 1278 [OLG Hamm 27.04.1990 - 15 W 105/90]). Sind die entsprechenden Voraussetzungen gegeben, kann der Schuldner auch den Weg der Klage nach § 768 wählen.

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