Gesetzestext

 

Insofern nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts die Rechtskraft der in dem Hauptprozess erlassenen Entscheidung auf das Rechtsverhältnis des Nebenintervenienten zu dem Gegner von Wirksamkeit ist, gilt der Nebenintervenient im Sinne des § 61 als Streitgenosse der Hauptpartei.

A. Voraussetzungen.

 

Rn 1

Begrifflich handelt es sich um eine (selbstständige) streitgenössische Nebenintervention, sofern die Hauptsacheentscheidung auf ein zwischen dem Nebenintervenienten und der Gegenpartei bestehendes Rechtsverhältnis einwirkt. Neben den Voraussetzungen des § 66 verlangt § 69, der für den streitgenössischen Nebenintervenienten abw von §§ 67, 68 besondere Befugnisse und Rechtsfolgen vorsieht, zusätzlich eine Rechtskrafterstreckung des Urteils auf das Rechtsverhältnis zwischen dem Streithelfer und dem Gegner. Der Verweis auf eine sich aus Vorschriften des bürgerlichen Rechts ergebende Rechtskrafterstreckung ist längst überholt und beruht darauf, dass zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der ZPO die Rechtskraftlehre dem bürgerlichen Recht zugeordnet wurde (BGHZ 92, 275, 277 = NJW 85, 386). Ein einfacher wird nicht dadurch zum streitgenössischen Nebenintervenienten, dass ihn das Gericht entsprechend behandelt (BayObLG NJW-RR 87, 1423).

I. Rechtsverhältnis zum Gegner.

 

Rn 2

Im Unterschied zu § 66 setzt die streitgenössische Nebenintervention nicht nur ein Rechtsverhältnis zwischen dem Streithelfer und der unterstützten Partei, sondern zusätzlich zwischen dem Streithelfer und der Gegenpartei voraus (BGHZ 92, 275, 277 = NJW 85, 386). Entsprechend dem üblichen Verständnis ist ein Rechtsverhältnis eine durch den Sachverhalt aufgrund einer Rechtsnorm gegebene Beziehung einer Person zu einer anderen oder zu Gegenständen (BGHZ 92, 275, 278 = NJW 85, 386). Die Rechtsbeziehung muss tatsächlich gegeben sein; eine nur mittelbare Abhängigkeit idS, dass ein Recht oder eine Verbindlichkeit des Streithelfers von einem Recht oder einer Verbindlichkeit der Parteien des Hauptprozesses abhängen, reicht nicht. Der Untermieter ist im Rechtsstreit zwischen Hauptmieter und Vermieter trotz § 546 II BGB mangels eines Rechtsverhältnisses zu dem Vermieter kein streitgenössischer Nebenintervenient (BGH NJW 01, 1355). Wegen der in § 425 II BGB vorgesehenen rechtlichen Selbstständigkeit der Gesamtschuldner scheitert eine streitgenössische Nebenintervention, wenn ein Gesamtschuldner dem anderen im Prozess gegen den Gläubiger beitritt (BGH NJW 01, 1355 [BGH 17.01.2001 - XII ZB 194/99]; BayObLG NJW-RR 87, 1423 [BayObLG 09.07.1987 - BReg. 2 Z 73/87]). Der dem Rechtsstreit im Falle einer Anfechtungsklage des Kindes, der Mutter oder des rechtlichen Vaters beitretende potenzielle biologische Vater ist lediglich unselbstständiger Nebenintervenient, nicht aber streitgenössischer Nebenintervenient, falls der potenzielle biologische Vater der Partei mit dem Ziel beitritt, eine spätere Feststellung der eigenen Vaterschaft zu verhindern (BGH NJW 09, 2679, 2680 [BGH 17.06.2009 - XII ZB 75/07] Rz 10). Hat das Kind mit seiner Anfechtungsklage gegen den rechtlichen Vater obsiegt, kann die Mutter hiergegen auch dann Berufung einlegen, wenn sie auf Seiten des Kindes und nicht auf Seiten des Vaters beigetreten ist (BGH NJW 09, 1469 [BVerfG 15.01.2009 - 2 BvR 2044/07]).

II. Urteilswirkungen.

 

Rn 3

Nach dem Wortlaut des § 69 entsteht eine streitgenössische Nebenintervention nur bei einer Rechtskrafterstreckung im Verhältnis zwischen Streithelfer und Gegenpartei. Weitergehend ist die Bestimmung auch in Fällen der Gestaltungswirkung und der erweiterten Vollstreckbarkeit anwendbar.

1. Rechtskraftwirkung.

 

Rn 4

Grundfall einer streitgenössischen Nebenintervention ist eine Rechtskrafterstreckung des Vorprozesses auf das Rechtsverhältnis zwischen dem Streithelfer und dem Gegner, die etwa durch §§ 76 IV, 325, 327, 640e, 728, 856, 61 II GmbHG, 248, 249, 256 VII AktG, 111 II GenG, 183 InsO, 128, 129 HGB, 407 II, 408 BGB, 3 Nr 8 PflVG statuiert wird. Einschränkend muss sich die Rechtskrafterstreckung gerade auf das Rechtsverhältnis des Nebenintervenienten zur Gegenpartei beziehen. Eine (allseitige) Rechtskrafterstreckung für und gegen alle (Bsp § 640h) genügt nicht, weil der Nebenintervenient in diesen Fällen wie jeder Dritte von der Entscheidung betroffen ist und dieser Umstand es nicht rechtfertigt, ihm erweiterte Befugnisse zuzubilligen (BGHZ 92, 275, 277 = NJW 85, 386). Ein der Partei beitretender materieller Rechtsnachfolger ist trotz Rechtskrafterstreckung (§ 325) kraft § 265 II 3 nur einfacher Nebenintervenient. Eine Streithelferin nimmt als Privathaftpflichtversicherer der Beklagten nicht die Stellung eines von den Beschränkungen des § 67 Abs 1 HS 2 befreiten Streitgenossen ein, weil es an einem Rechtsverhältnis zu dem Kläger fehlt. Von diesem Erfordernis kann auch nicht in Hinblick auf die Bindungswirkung des rkr Haftpflichturteils für den nachfolgenden Deckungsrechtsstreit abgesehen werden. Die Bindungswirkung ist mit der notwendigen Rechtskraftwirksamkeit nicht gleichzusetzen; sie folgt nicht aus der Rechtskraft des Haftpflichturteils, sondern ist dem Leistungsversprechen,...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge