Rn 1

Die Rechtsbeschwerde ist durch das ZPO-Reformgesetz eingeführt worden. Sie ersetzt die weitere Beschwerde alten Rechts, die nur unter engen Voraussetzungen in den beim Amtsgericht beginnenden Verfahren statthaft war. Der Rechtsschutz in Beschwerdesachen sollte durch Eröffnung des Zugangs zum BGH erweitert werden (BTDrs 14/4722, 68). Die Rechtsbeschwerde soll immer, aber auch nur dann stattfinden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rspr eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (Abs 2). Im Fall der kraft Gesetzes statthaften Rechtsbeschwerde (Abs 1 S 1 Nr 1) prüft das Rechtsbeschwerdegericht diese Voraussetzungen iRd Zulässigkeitsprüfung (Abs 2 iVm § 577 I). Ist die Rechtsbeschwerde dagegen nur kraft Zulassung durch das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das OLG im 1. Rechtszug (fortan nur: Beschwerdegericht) statthaft (Abs 1 S 1 Nr 2), sind die Voraussetzungen des Abs 2 bei der Entscheidung über die Zulassung zu beachten (Abs 3).

 

Rn 2

Ob die Ersetzung des nach Ansicht der amtlichen Begründung des ZPO-Reformgesetzes ›umständlichen Vorlageverfahrens‹ (BTDrs 14/4722, 69) durch die Rechtsbeschwerde rechtspolitisch gelungen ist, kann mit guten Gründen bezweifelt werden (vgl Kreft ZRP 03, 77 f; Kayser FGPrax 04, 166 ff). Die Geschäftsbelastung des BGH ist infolge der Rechtsbeschwerden beträchtlich gestiegen. Die Zulassungsentscheidungen der Beschwerdegerichte sind fast durchweg weniger gut aufbereitet als die Vorlagen der Oberlandesgerichte nach altem Recht. Für die kraft Gesetzes statthaften Rechtsbeschwerden etwa nach §§ 7 InsO aF, 574 I 1 Nr 1, welche sich an den Instanzenzug Amtsgericht (Richter oder sogar Rechtspfleger) – LG (Einzelrichter) anschließen, gilt dies in noch höherem Maße (›Wasserkopf‹). Die Beschwerdeentscheidungen mussten (und müssen, vgl etwa BGH MDR 19, 954 Rz 4; NJW-RR 21, 1513 [BGH 15.09.2021 - XII ZB 161/21], Rz 4f) vielfach schon wegen fehlender Sachverhaltsdarstellung aufgehoben werden. Dem Rechtsbeschwerdegericht wurden Einzelfälle zur Nachprüfung unterbreitet, die – gemessen am gesetzgeberischen Ziel, Fragen von grundsätzlicher Bedeutung einer Klärung durch den BGH zuzuführen – unnötige Arbeit verursachen. In Insolvenzsachen (§ 7 InsO aF) ist die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde zwischenzeitlich durch Art 2 des Gesetzes zur Änderung des § 522 der Zivilprozessordnung vom 21.10.11 (BGBl I 2082) abgeschafft worden. Nach wie vor gibt es sie jedoch in Betreuungs-, Unterbringungs- und Freiheitsentziehungssachen (§ 70 III FamFG), hier deshalb, weil elementare Persönlichkeitsrechte betroffen sind (BTDrucks 16/9733, 290). Ihre Zulässigkeit setzt nicht einmal einen § 574 Abs 2 entsprechenden Zulässigkeitsgrund voraus (vgl BTDrucks 16/9831).

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