Rn 3

Aufgabe der Berufungsinstanz ist es, die erstinstanzliche Entscheidung auf eventuelle Fehler zu überprüfen. Ergibt sich ein solcher Fehler, so ist er vom Berufungsgericht zu korrigieren. Daraus resultiert die grundsätzliche Verpflichtung zu einer eigenen Sachentscheidung. Dies gilt auch, wenn Entscheidungsreife nur mit erheblichem Aufwand herbeigeführt werden kann, insb eine erforderliche Beweisaufnahme vollständig in die 2. Instanz verlagert wird. Allein die Überlegung, dass das erstinstanzliche Gericht mehr Vorarbeit hätte leisten können bzw sollen oder der Umfang der vom Berufungsgericht zu leistenden Arbeit rechtfertigt eine Zurückverweisung nicht. Trifft das Berufungsgericht in Anwendung des § 538 I, II S 1 Nr 1 eine eigene Sachentscheidung, ohne darüber zu befinden, ob das LG einen Ablehnungsantrag – unter Mitwirkung des abgelehnten Richters – zu Recht als unzulässig verworfen hat, stellt dies keine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter dar; ›gesetzlicher Richter‹ ist in dieser Lage das Berufungsgericht (BGH MDR 08, 763).

 

Rn 4

Dies gilt auch für neuen Prozessstoff, der erst in 2. Instanz in den Rechtsstreit eingeführt wurde (Klageänderung, Widerklage, Aufrechnung). Hier ist eine Zurückverweisung mit der Begründung, es habe keine erstinstanzliche Verhandlung stattgefunden (Rn 5), nicht möglich, weil das Gesetz dies mit der Möglichkeit einer Zulassung (§ 533) erkennbar in Kauf nimmt (BGH NJW 84, 1552, 1555 [BGH 30.03.1983 - VIII ZR 3/82]). Die Parteien haben keinen Anspruch darauf, dass über jeden sachlichen Streitpunkt in zwei Tatsacheninstanzen verhandelt wird (BGH NJW 79, 925 [BGH 08.11.1978 - VIII ZR 199/77]). Machen sie einen Streitpunkt erst in 2. Instanz geltend, wird hier sachlich darüber entschieden.

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