Rn 32

Das selbstständige Beweisverfahren ist nicht in § 19 RVG als zum gebührenrechtlichen Rechtszug gehörend aufgeführt; es stellt deshalb eine eigene gebührenrechtliche Angelegenheit neben der Hauptsache dar. Damit können eine 1,3 Verfahrensgebühr gem Nr 3100 VV RVG und eine 1,2 Terminsgebühr gem Nr 3104 VV RVG entstehen. Die in Vorbem 3 IV 1 VV RVG geregelte tw Anrechnung der Geschäftsgebühr auf eine später betreffend denselben Gegenstand im selbstständigen Beweisverfahren angefallene Verfahrensgebühr ist bereits im Kostenfestsetzungsverfahren beachtlich (BGH NJW-RR 08, 1528; Stuttg BauR 08, 1500). Es macht keinen Unterschied, ob ein Rechtsanwalt, der seine Partei im selbstständigen Beweisverfahren vertreten hat, die Klageforderung zunächst im Mahnverfahren und sodann nach Widerspruch im Hauptsacheverfahren geltend macht oder ob er sofort Klage erhebt; in beiden Fällen wird die Geschäftsgebühr des selbstständigen Beweisverfahrens auf das Hauptsacheverfahren angerechnet (Hamm IBR 14, 1286). Der im selbstständigen Beweisverfahren tätige Rechtsanwalt muss sich die von einem anderen, für dieselbe Partei vorprozessual tätigen Anwalt verdiente Geschäftsgebühr nicht anrechnen lassen, denn Vorbem 3 IV VV RVG dient nicht dem Schutz des Prozessgegners (BGH IBR 10, 1056). Ist auch die Hauptsache anhängig, beläuft sich die Einigungsgebühr gem Nr 1003 VV RVG auf 1,0, andernfalls gem Nr 1000 VV RVG auf 1,5. Vorbem 3 V VV RVG bestimmt, dass die Verfahrensgebühr des selbstständigen Beweisverfahrens auf diejenige des Hauptsacheverfahrens angerechnet wird, wenn der Gegenstand des selbstständigen Beweisverfahrens auch Gegenstand eines Rechtsstreits ist oder wird; es kommt nicht darauf an, ob das selbstständige Beweisverfahren vor oder während der Anhängigkeit des Hauptsacheverfahrens geführt wird (Frankf AGS 13, 163). Diese Anrechnung kommt auch in Betracht, wenn die anwaltlich vertretene Person am selbstständigen Beweisverfahren aufgrund Streitverkündung beteiligt ist, in dem Hauptsacheverfahren dann Parteirolle hat (Enders JurBüro 13, 113, 114). Wurde das selbstständige Beweisverfahren zu einem höheren Wert geführt als das Hauptsacheverfahren, erfolgt die Anrechnung der Verfahrensgebühr nur im Umfang des niedrigen Wertes; beachtlich sind dabei ggf die durch das 2. KostRMod nun eingetretenen Veränderungen der Gebührentabelle (Enders JurBüro 13, 284).

Einige wollen aus § 91 II 2 ableiten, dass die Parteien gehalten seien, für das selbstständige Beweisverfahren und für das Hauptsacheverfahren denselben Rechtsanwalt zu beauftragen (Kobl AGS 02, 164; Hamm 12.4.02 – 23 W 113/02; Hambg MDR 07, 559; Köln JurBüro 13, 590. AA Gerold/Schmidt/Müller-Rabe § 15a RVG Rz 75; Schneider AGS 12, 258; ders AGS 13, 571, 572 [OLG Köln 10.12.2012 - 17 W 109/12] mit Hinweis darauf, dass das selbstständige Beweisverfahren und das Hauptsacheverfahren verschiedene Angelegenheiten sind). Haben indes einzelne Wohnungseigentümer für ein selbstständigen Beweisverfahren betreffend Mängeln des Gemeinschaftseigentums einen Rechtsanwalt mandatiert und klagt nach Beendigung des selbstständigen Beweisverfahrens die Wohnungseigentümergemeinschaft aufgrund eines Beschl, mit dem sie die Durchsetzung der Rechte wirksam an sich gezogen hat, gegen den Antragsgegner des selbstständigen Beweisverfahrens bei Mandatierung eines anderen Rechtsanwalts, ist keine Anrechnung vorzunehmen (BGH IMR 15, 38).

Bei mehreren Auftraggebern im selbstständigen Beweisverfahren entsteht die zusätzliche Gebühr gem Nr 1008 VV RVG. Beachtlich ist nun auch Nr 1010 VV RVG nF, wonach eine 0,3-Zusatzgebühr bei umfangreicher Beweisaufnahme, konkret im Falle der Durchführung von mindestens drei gerichtlichen Terminen, in denen Zeugen oder Sachverständige vernommen werden, in Betracht kommt. Verfahrensgebühren mehrerer selbstständiger Beweisverfahren sind insgesamt auf die Verfahrensgebühr der Hauptsache anzurechnen (Kobl JurBüro 12, 76).

Im selbstständigen Beweisverfahren ist grds die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch den Antragsgegner zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich, sodass dessen gesetzliche Gebühren und Auslagen bei Vorliegen einer entsprechenden Kostengrundentscheidung vom ASt zu erstatten sind (München IBR 13, 1172); endet der Auftrag des für den Antragsgegner tätigen Rechtsanwaltes, ohne dass dieser einen Schriftsatz eingereicht hat, der einen Gegenantrag oder Sachvortrag enthält, so entsteht für ihn, wenn er das Geschäft in irgendeiner Weise – etwa durch Beschaffen von Informationen – bereits betrieben hat, nur eine reduzierte 0,8 Verfahrensgebühr nach Nr 3101 Ziff 1 VV RVG; zusätzlich fällt für den Rechtsanwalt des Antragsgegners eine 1,3 Verfahrensgebühr aus dem Kostenwert an, wenn er im Falle einer Rücknahme des Antrags auf Durchführung des selbstständigen Beweisverfahrens einen Kostenantrag gestellt hat (München Rpfleger 13, 51 [OLG München 20.09.2012 - 11 W 1667/12]).

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