Leitsatz (amtlich)

Bei der Einleitung eines selbstständigen Beweisverfahrens müssen die Parteien regelmäßig damit rechnen, dass es auch noch zu einem Hauptsacheverfahren kommen wird, so dass sie zwecks Geringhaltung ihrer außergerichtlichen Kosten gehalten sind, einen Anwalt zu wählen, der sie in beiden Verfahren vertreten kann.

 

Normenkette

ZPO § 17 Abs. 1, § 29 Abs. 1, § 37 Nr. 3, § 78 Abs. 1, § 91 Abs. 2 S. 3, § 485 Abs. 2 S. 2

 

Verfahrensgang

LG Dortmund (Aktenzeichen 7 O 220/99)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten der Beklagten nach einem Gegenstandswert von 666,42 Euro zurückgewiesen.

 

Gründe

Die zulässige sofortige Beschwerde der Beklagten hat keinen Erfolg.

Der Rechtspfleger hat zu Recht die von der Beklagten angemeldeten Gebühren der Anwälte, die sie im selbstständigen Beweisverfahren 4 H 10/97 AG Castrop-Rauxel beauftragt hat, abgesetzt.

Diese Kosten sind gem. § 91 Abs. 2 S. 3 ZPO nicht erstattungsfähig. Hätte die Beklagte nämlich bereits im selbstständigen Beweisverfahren beim späteren Hauptsachegericht, dem LG Dortmund, nach der damaligen Fassung des § 78 Abs. 1 ZPO zugelassene Anwälte mit ihrer Interessenwahrnehmung betraut, hätte sie diese auch im späteren Hauptsacheprozess mandatieren können, so dass die Rechtsanwaltsgebühren wegen § 37 Nr. 3 ZPO nur einmal angefallen wären, während sie nun wegen der Beauftragung unterschiedlicher Anwälte in beiden Verfahren doppelt entstanden sind. Bei der Einleitung eines selbstständigen Beweisverfahrens muss eine Partei regelmäßig damit rechnen, dass es nach dessen Abschluss auch noch zu einem Hauptsacheverfahren kommen wird, so dass sie zwecks Geringhaltung ihrer außergerichtlichen Kosten gehalten ist, einen Anwalt zu wählen, der sie in beiden Verfahren vertreten kann (Göttlich/Mümmler, BRAGO, 20. Aufl., Anm. 6 zum Stichwort „selbstständiges Beweisverfahren”; Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 60. Aufl., § 91 Rz. 129; Zöller/Herget, ZPO, 23. Aufl., § 91 Rz. 13 zum Stichwort „Anwaltswechsel”). Zwar kann das selbstständige Beweisverfahren in gewissen Fällen zur Vermeidung eines Rechtsstreits führen, wie auch in § 485 Abs. 2 S. 2 ZPO zum Ausdruck kommt. Davon darf im Normalfall aber nicht ausgegangen werden. Hier hat die Beklagte erkennbar selbst nicht damit gerechnet, das selbstständige Beweisverfahren werde zu einer Lösung führen. Im Anschluss an die seitens der Kläger seit dem Jahre 1993 vorgebrachten Beanstandungen hatte sie vor Einleitung des selbstständigen Beweisverfahrens zuletzt auch durch ihre Rechtsabteilung die an sie herangetragenen Forderungen mit Schreiben vom 1.3.1996 unmissverständlich abgelehnt. Die beiderseitigen Vorstellungen hatten sich dermaßen verhärtet, dass angenommen werden musste, das selbstständige Beweisverfahren werde nur einen Zwischenschritt zu einem Hauptsacheprozess darstellen.

Für die Beklagte war zum Zeitpunkt der Beauftragung ihrer beim LG Essen zugelassenen Anwälte für das selbstständige Beweisverfahren absehbar, dass die Kläger einen Hauptsacheprozess nicht an ihrem, der Beklagten, allgemeinen Gerichtsstand (§ 17 Abs. 1 ZPO) beim LG Essen, sondern beim besonderen Gerichtsstand des Erfüllungsortes (§ 29 Abs. 1 ZPO) beim LG Dortmund betreiben würden (s.a. OLG Koblenz JurBüro 1996, 34). Die Kläger hatten sich nämlich bei der Antragstellung für das selbstständige Beweisverfahren Dortmunder Anwälte bedient, so dass sie ihrerseits gegen die Pflicht zur kostensparenden Prozessführung verstoßen hätten, wenn sie später beim LG Essen geklagt hätten und deshalb einen Anwaltswechsel hätten vornehmen müssen. Zudem liegt ihr Wohnort deutlich näher beim LG Dortmund als beim LG Essen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Beschwerdewertes, der dem Abänderungsbegehren der Beklagten entspricht, beruht auf §§ 12 Abs. 1 GKG, 3 ZPO.

Schnapp Rautenberg Dr. Funke

 

Fundstellen

Haufe-Index 1106168

OLGR Hamm 2002, 412

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