Rn 9

Die prozessuale Vorlegungspflicht nach § 422 knüpft an einen materiell-rechtlichen Vorlegungsanspruch an. Dieser Anspruch kann konkret auf Vorlegung, aber ebenso auf Herausgabe der Urkunde, auf Einsichtnahme (die Vorlegung impliziert) oder auf Rechnungslegung gerichtet sein (s Rn 4). Zivilrechtliche Ansprüche, nach denen der Anspruchsberechtigte die Herausgabe der Urkunde als Sache verlangen kann, ergeben sich etwa aus § 985 iVm § 952 BGB, aus § 371 BGB, § 402 BGB und § 1144 BGB; sie können insb auch Gegenstand eines obligatorischen Anspruchs aus Kauf, Verwahrung, Auftrag, Geschäftsbesorgung etc sein. Einsichtnahme- und Rechnungslegungsansprüche, die dem Beweisführer das Recht geben, die Vorlegung der Urkunde zu verlangen, finden sich bspw in § 630g BGB, § 666 BGB, in § 713 iVm § 666 und § 716 BGB, § 2130 II BGB, §§ 118, 157 III, 166, 233 HGB, § 51a GmbHG, § 175 II AktG. Ein allgemeiner Anspruch auf Einsichtnahme in Urkunden ist in § 810 BGB geregelt (vgl etwa BGH GRUR 22, 1302, 1307 [BGH 26.07.2022 - X ZR 1/21]; speziell zum Arzthaftungsprozess vgl auch PWW/Buck-Heeb § 810 BGB Rz 7, 8; Grüneberg/Sprau § 810 BGB Rz 5: Anspruchskonkurrenz zu § 630g BGB). Für die Begründung eines rechtlichen Interesses an der Einsichtnahme in die Urkunde nach § 810 BGB müssen allerdings hinreichend bestimmte Anhaltspunkte vorliegen, damit es sich nicht um eine unzulässige Ausforschung handelt (BGH NJW 14, 3312, 3313 [BGH 27.05.2014 - XI ZR 264/13] mwN).

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