Rn 5
§ 39 S 1 setzt grds eine mündliche Verhandlung voraus (vgl BGH WM 21, 894; Saarbr OLGR 02, 331 f; München SchiedsVZ 08, 307; Zö/Schultzky Rz 8). Deshalb werden Verfahren, bei denen lediglich eine Anhörung der Parteien erfolgt, nicht von der Vorschrift erfasst (vgl Zö/Schultzky Rz 8; vgl auch § 128 IV), Bsp: § 37 I, § 281 oder § 17a GVG und die einstweilige Verfügung (vgl KG GRUR-RR 19, 34). Auch die Güteverhandlung stellt keine mündliche Verhandlung idS dar (vgl § 278 II; Zö/Schultzky Rz 8), ebenso wenig das schriftliche Vorverfahren nach § 276 (vgl BayObLG 12.6.19 – 1 AR 62/19; Musielak/Voit/Heinrich Rz 4), das selbständige Beweisverfahren (iE ebenso Jena OLGR 00, 59) oder das Mahnverfahren (Köln Rpfleger 17, 407 [OLG Köln 18.11.2016 - 19 U 25/16]). Dagegen findet § 39 S 1 Anwendung im schriftlichen Verfahren gem § 128 (BGH NJW 70, 198; Zö/Schultzky Rz 8; Musielak/Voit/Heinrich Rz 4; ThoPu/Hüßtege Rz 1) und im Verfahren nach Lage der Akten gem §§ 251a, 331a (Zö/Schultzky Rz 8; Musielak/Voit/Heinrich Rz 4). Ein mündliches Verhandeln ist schon dann gegeben, wenn die Parteien und das Gericht zum Streitgegenstand erörtern (Saarbr OLGR 02, 331 f; München ZInsO 18, 1863; Zö/Schultzky Rz 6; Musielak/Voit/Heinrich Rz 4; MüKoZPO/Patzina Rz 6), wobei einseitige Antragstellung der beklagten Partei grds als Verhandeln zur Sache zu bewerten sein kann (BGH GRUR 19, 213 [BGH 27.11.2018 - X ARZ 321/18]). Ein vorheriges Stellen der Anträge ist aber nicht erforderlich (Dresd IPRsp 99, Nr 115; München ZInsO 18, 1863; Musielak/Voit/Heinrich Rz 4; vgl auch Frankf JurBüro 85, 1556 f; Saarbr OLGR 02, 331 f; aA Dresd OLGR 97, 187). Eine mündliche Verhandlung ist nämlich auch eröffnet (vgl § 136 I), wenn die Sachanträge nicht zu Beginn gestellt werden, da der Termin zur mündlichen Verhandlung nicht stets mit der Antragstellung beginnen muss (§ 137 I). Vielmehr können zunächst eine Einführung in den Sach- und Streitstand sowie ein Güteversuch angebracht sein, ohne dass das Gesetz hierfür eine zeitliche Reihenfolge vorsieht (so richtig BGHZ 109, 41, 44; vgl auch Saarbr OLGR 02, 331f). Deshalb fallen auch Vergleichsverhandlungen unter § 39 S 1, wenn die Sach- und Rechtslage erörtert worden ist (Saarbr OLGR 02, 331f), reine Vergleichsverhandlungen dagegen nicht (Bambg MDR 88, 148 f; Saarbr OLGR 02, 331 f; München ZInsO 18, 1863; Zö/Schultzky Rz 6; Musielak/Voit/Heinrich Rz 4). Ein rügeloses mündliches Verhandeln zur Hauptsache liegt auch in der Zustimmung zur Erledigungserklärung durch den Kl (Frankf JurBüro 85, 1556 f; Zö/Schultzky Rz 7; Musielak/Voit/Heinrich Rz 4; vgl auch Saarbr OLGR 02, 331f). Eine Verhandlung über Prozessvoraussetzungen (etwa iRd § 280)und die Wirksamkeit von Prozesshandlungen genügt nicht (München ZIP 19, 73; Zö/Schultzky Rz 6; Musielak/Voit/Heinrich Rz 4; MüKoZPO/Patzina Rz 6; LG Nürnberg-Fürth 22.12.21 – 8 S 3349/21, dort auch zur Gehörsverletzung bei fehlender Möglichkeit einer rügelosen Einlassung). Die Ankündigung, sich auf die Klage beim unzuständigen Gericht rügelos einlassen zu wollen, reicht für die Anwendung des § 39 ebenfalls nicht aus (BGH MDR 13, 481; Karlsr OLGR 05, 254 f; Zö/Schultzky Rz 5). Streitig ist, ob die Erhebung einer Widerklage ein Verhandeln zur Hauptsache bedeutet. Das ist zu verneinen. Die Widerklage ist kein Angriffs- oder Verteidigungsmittel, sondern eine eigenständige Klage (vgl dazu § 33 Rn 3). Deshalb ist in der Widerklageerhebung noch keine Einlassung auf die Klage zu sehen (Musielak/Voit/Heinrich Rz 4; St/J/Roth Rz 8; MüKoZPO/Patzina Rz 7; aA Zö/Schultzky Rz 7; ThoPu/Hüßtege Rz 7).