I. Grundlagen.

 

Rn 21

§ 363 verbietet es nicht, im Ausland belegene Beweismittel für eine Beweiserhebung vor dem Prozessgericht im Inland heranzuziehen. Grenzen werden dem Gericht jedoch durch den Souveränitätsanspruch des fremden Staates gezogen. In seiner Ausprägung als Gebietshoheit steht er einer Ausübung hoheitlicher Gewalt anderer Staaten auf seinem Gebiet entgegen. Dazu zählt auch eine Beweisaufnahme als Teil richterlicher und damit hoheitlicher Tätigkeit (allgM, etwa BGHZ 71, 9, 12; 87, 385, 389; Leipold S 39 f; Geimer Rz 2347). Ist die Beweiserhebung vor dem Prozessgericht möglich, sollte ihr wegen des höheren Erkenntniswertes unmittelbarer Beweisaufnahmen der Vorzug gegeben werden (großzügiger aber BGH IPrax 81, 57, 58). Soweit Art 19 EuBVO dem Prozessgericht eine eigene Beweisaufnahme im fremden Mitgliedsstaat eröffnet, kann auch der weniger eingreifende Versuch, die Beweismittel auf freiwilliger Basis ins Inland vor das Prozessgericht zu schaffen, nicht als Souveränitätsverletzung angesehen werden (wohl auch Musielak/Voit/Stadler Rz 9).

 

Rn 22

Hält sich eine Prozesspartei im Ausland auf oder hat dort ihren Sitz, bleiben die aufgrund ihrer Parteistellung bestehenden Mitwirkungspflichten und -obliegenheiten unberührt. Insoweit ist der Souveränitätsanspruch des fremden Staates durch den lex fori-Grundsatz überlagert (Leipold S 55; St/J/Berger Rz 9). Wird ihr auferlegt, eine Urkunde, die sie in Besitz hat, vorzulegen, und kommt sie der Aufforderung nicht nach, kann dies nach § 427 zu ihren Lasten gewürdigt werden. Ebenso kann eine ausländische Partei zur Duldung einer Blutentnahme gem § 372a verpflichtet und eine Weigerung zu ihrem Nachteil gewürdigt werden (BGH JZ 87, 42 [BGH 09.04.1986 - IVb ZR 27/85]; Bremen NJW-RR 09, 876 f [OLG Bremen 20.01.2009 - 4 UF 99/08]; s.a. Jayme FS Geimer, 375, 380 f zur Möglichkeit Vollstreckungshilfe zu erhalten). Ist die von der Partei verlangte Mitwirkung vom fremden Staat verboten, ist dies allerdings iRd Würdigung als Beweisvereitelung oder gem §§ 427, 446 zu berücksichtigen (St/J/Berger Rz 10).

II. Einzelne Beweismittel.

1. Zeugen.

 

Rn 23

Da das Prozessgericht im Ausland keine Pflichten für Dritte begründen kann, kann es einem im Ausland weilenden Zeugen nicht unter Androhung der Folgen der §§ 380, 390 zum Erscheinen vor dem Gericht oder zur schriftlichen Aussage veranlassen. Das muss wegen der Gebietshoheit des fremden Staates auch für deutsche Staatsangehörige gelten, die sich im Ausland aufhalten (Leipold S 63 f mit Fn 122; St/J/Berger Rz 11; aA Geimer Rz 427 f; Schack Rz 715f). Umstritten ist, inwieweit Zeugen ohne Zwangsandrohung vom Prozessgericht formlos geladen oder zur schriftlichen Beantwortung von Beweisfragen gebeten werden können. Während dies tw für zulässig gehalten wird, soweit sich für den Zeugen daraus keine nachteiligen Rechtsfolgen ergeben können (Art 1 EuBVO Rn 4; MüKoZPO/Heinrich Rz 3; Zö/Geimer Rz 11, 13 f; Musielak FS Geimer, 761, 769 f; Geimer Rz 2384, 2388f), sehen andere richtigerweise darin eine Erstreckung der hoheitlichen Gerichtstätigkeit auf ausländisches Territorium, die nur mit Zustimmung des fremden Staates zulässig ist (BGH NJW 84, 2039; Musielak/Voit/Stadler Rz 10; St/J/Berger Rz 11). Dies ist auch die Haltung der Bundesregierung, die nach §§ 64f, 64g I ZRHO immer von der Möglichkeit eines Eingriffs in die fremden Hoheitsrechte ausgeht. Für die Qualifizierung als hoheitlicher Akt, der seine Wirkung auf dem Gebiet des ausländischen Staates entfalten soll, kommt es nicht darauf an, ob damit Zwangswirkungen verbunden sind. Dies belegt etwa die einhellige Auffassung, dass eine Augenscheinseinnahme durch das Prozessgericht im Ausland nur mit Einwilligung des fremden Staates zulässig ist – unabhängig davon, ob das Gericht dabei Zwangsmaßnahmen verhängen muss oder nicht (s.u. Rn 26). Entsprechendes muss für die nunmehr nach § 128a, Art 20 EuBVO zulässige Vernehmung per audio-visueller Übertragung gelten (aA St/J/Berger Rz 14; Geimer Rz 2385a). Von einer Einwilligung ist aber auszugehen, wenn die Ladung oder die schriftliche Befragung im Wege der Rechtshilfe zugestellt wird, weil es dem ersuchten Staat dann offen steht, ob er die gerichtliche Tätigkeit fördert oder ablehnt (St/J/Berger Rz 11 f; zw Leipold S 62).

 

Rn 24

Möglich bleibt die Verwertung eines von der beweisführenden Partei veranlassten oder erstellten Vernehmungsprotokolls im Wege des Urkundenbeweises, das jedoch eine im Rechtshilfeverfahren mögliche Zeugenvernehmung nicht ersetzen darf (St/J/Berger Rz 11; Musielak/Voit/Stadler Rz 10; für unzulässige Umgehung dagegen Leipold S 66f).

2. Sachverständigenbeweis.

 

Rn 25

Eine vergleichbare Problemlage besteht bei der Beurteilung, unter welchen Voraussetzungen das Prozessgericht einen Sachverständigenbeweis mit Auslandsbezug erheben darf. Da der SV selbst weder öffentlich-rechtlich tätig wird noch Hoheitsgewalt besitzt, sollen weder die Beauftragung eines ausländischen SV noch die Ermittlungen eines inländischen SV im Ausland in die Souveränität des fremden Staates eingreifen (St/J/Berger Rz 17, der allerdings bei ...

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