Rn 52

Die zeitliche Begrenzung der Abänderungsmöglichkeit trägt dem Vertrauen des Verpflichteten Rechnung, nicht mit Forderungen über den titulierten Anspruch hinaus für die Vergangenheit konfrontiert zu werden (BGH NJW 98, 2433, 2434 [BGH 22.04.1998 - XII ZR 221/96]). Sie ist jedoch bedenklich, wenn der Kl aus nicht von ihm zu vertretenden Gründen an einer früheren Klageerhebung gehindert war (krit Meister FamRZ 80, 864, 869; Gottwald FamRZ 92, 1374, 1375 f; Braun NJW 95, 936). Insbesondere bei Verstoß gegen die Aufklärungs- und Informationspflicht sollte § 323 III daher teleologisch reduziert und die Abänderung rückwirkend für den Zeitpunkt zugelassen werden, in dem der Kl bei pflichtgemäßer Information hätte Klage erheben können (MüKoZPO/Gottwald § 323 Rz 91). Nach hM ist der durch die Verletzung der Aufklärungs- und Informationspflichten entstehenden Unbilligkeit dagegen nur durch die Anwendung des § 826 BGB zu begegnen (BGH NJW 86, 2047; Oldbg FamRZ 96, 804; Wieczorek/Schütze/Büscher § 323 Rz 111). Rechtspolitisch bedenklich ist die Vorschrift schließlich auch deswegen, weil sie den Kl zu einer frühzeitigen Klage zwingt, da er für den Zeitraum des Bemühens um eine gütliche Einigung keine Abänderung verlangen kann, obgleich das Vertrauen des Verpflichteten in den unveränderten Bestand der Erstentscheidung auch durch ein vorgerichtliches Erhöhungsverlangen bereits zerstört sein dürfte. Auf der anderen Seite birgt die sofortige Klage ohne ein vorgerichtliches Erhöhungsverlangen für den Kl die Gefahr der Kostentragungspflicht im Falle sofortigen Anerkenntnisses (Dresd FamRZ 96, 1989 mit Anm Gottwald).

Der Entwurf des FamFG, durch das § 323 neu strukturiert wurde, hatte zunächst entsprechend der Parallelvorschrift des § 238 III 5 für Verfahren in Familiensachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in § 323 III eine der vorgeschlagenen teleologischen Reduktion entsprechende Härteklausel eingefügt. Danach sollte eine rückwirkende Abänderung ausnahmsweise dann erlaubt sein, wenn die zeitliche Begrenzung auf den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit, insb im Hinblick auf das Verhalten des Antragsgegners, grob unbillig wäre. Aufgrund der Befürchtung, dass eine solche Klausel ggü der – für die Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit anerkannten (vgl Brudermüller FS Rolland 99, 45, 51 ff) – bisherigen Berücksichtigung im Wege der teleologischen Reduktion verstanden werden und zu einer Ausweitung der Ausnahmefälle führen könnte, hat man die Härteklausel nach den Beratungen im Rechtsausschuss in der endgültigen Gesetzesfassung wieder gestrichen (BTDrs 16/9733, 296).

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