1. Innerprozessuale Bindungswirkung.

 

Rn 4

Die in § 318 geregelte innerprozessuale Bindungswirkung tritt anders als die materielle Rechtskraft bereits vor Eintritt der formellen Rechtskraft ein und bestimmt, dass das die Entscheidung erlassende Gericht diese nicht mehr ändern kann und hieran im weiteren Verfahren in der Instanz gebunden ist (vgl § 318 Rn 1). Im Umfang entspricht die innerprozessuale Bindungswirkung der materiellen Rechtskraft. Ebenfalls keinen Fall der Rechtskraft stellt die in § 563 II angeordnete Bindung der Vorinstanz an die Entscheidung der Rechtsmittelinstanz im Falle der Aufhebung dar, da die Gründe der zurückweisenden Entscheidung nicht in Rechtskraft erwachsen (Wieczorek/Schütze/Büscher § 322 Rz 40).

2. Vollstreckbarkeit.

 

Rn 5

Die Vollstreckbarkeit einer Entscheidung tritt ein, wenn entweder die formelle Rechtskraft eingetreten oder die Entscheidung kraft Gesetzes oder kraft richterlicher Anordnung vorläufig vollstreckbar ist. Sie setzt lediglich voraus, dass die Entscheidung einen vollstreckungsfähigen Inhalt hat, was regelmäßig bei Leistungsurteilen der Fall ist, während Feststellungs-, Gestaltungs- und klageabweisende Urteile nur wegen der Kosten vollstreckbar sind.

3. Gestaltungswirkung.

 

Rn 6

Bei Gestaltungsurteilen tritt mit formeller Rechtskraft der Entscheidung unmittelbar eine Änderung der Rechtslage ein. Diese wirkt anders als die regelmäßig nur zwischen den Parteien wirkende materielle Rechtskraft inter omnes. Die Gestaltung kann, wie beim Scheidungsbeschluss, das materielle Recht betreffen, aber auch, zB bei der Änderungsklage nach § 323, bei Vollstreckungsgegenklage und Drittwiderspruchsklage, das Prozessrecht. Die Bindungswirkung bei Gestaltungsurteilen ist zwar an den Eintritt der formellen Rechtskraft geknüpft aber keine materielle Rechtskraftwirkung, sondern Ausfluss der auch von Dritten zu beachtenden Rechtsänderung.

4. Tatbestandswirkung.

 

Rn 7

Von der materiellen Rechtskraft zu unterscheiden ist weiterhin die sog Tatbestandswirkung eines Urteils. Diese besteht darin, dass eine materiell-rechtliche oder prozessuale Norm die Existenz einer rechtskräftigen oder vorläufig vollstreckbaren Entscheidung als Tatbestandsmerkmal voraussetzt und daran Rechtsfolgen knüpft, wie dies zB in §§ 407 II, 864 II, 925 I 3, 2196 BGB, § 2 AnfG oder in § 717 II der Fall ist, während die materielle Rechtskraft die Reichweite der Bindung der Entscheidung zwischen den Parteien betrifft.

5. Interventionswirkung.

 

Rn 8

Von der materiellen Rechtskraft einer Entscheidung zu unterscheiden ist schließlich die Interventionswirkung nach §§ 68, 74 III. Denn die Bindungswirkung des rechtskräftigen Urteils des Vorprozesses zu Ungunsten des Nebenintervenienten oder Streitverkündeten erweitert nicht wie die Rechtskrafterstreckung nur die subjektiven Grenzen der Rechtskraft, sondern erfasst auch die für die Entscheidung erheblichen Tatsachenfeststellungen und ihre rechtliche Beurteilung (BGHZ 103, 275, 278 = NJW 88, 1378; NJW 98, 79, 80). Sie geht insofern weiter als die materielle Rechtskraft; ist aber andererseits enger, da ihr ggü die Einrede mangelhafter Prozessführung erhoben werden kann (Musielak/Voit/Weth § 68 Rz 3). Die Interventionswirkung knüpft nur an die formelle Rechtskraft der Entscheidung an und beruht als Urteilswirkung sui generis auf der tatsächlichen oder jedenfalls möglichen Beteiligung des Dritten am Vorprozess. Demgemäß besteht dann keine Bindung, wenn dem Nebenintervenienten oder Streitverkündeten kein rechtliches Gehör gewährt worden ist (ausf Völzmann S 103f).

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