Gesetzestext

 

(1) Für Rechtsstreitigkeiten aus einer Güterbeförderung ist auch das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Ort der Übernahme des Gutes oder der für die Ablieferung des Gutes vorgesehene Ort liegt. Eine Klage gegen den ausführenden Frachtführer oder ausführenden Verfrachter kann auch in dem Gerichtsstand des Frachtführers oder Verfrachters erhoben werden. Eine Klage gegen den Frachtführer oder Verfrachter kann auch in dem Gerichtsstand des ausführenden Frachtführers oder ausführenden Verfrachters erhoben werden.

(2) Für Rechtsstreitigkeiten wegen einer Beförderung von Fahrgästen und ihrem Gepäck auf Schiffen ist auch das Gericht zuständig, in dessen Bezirk sich der im Beförderungsvertrag bestimmte Abgangs- oder Bestimmungsort befindet. Eine von Satz 1 abweichende Vereinbarung ist unwirksam, wenn sie vor Eintritt des Ereignisses getroffen wird, das den Tod oder die Körperverletzung des Fahrgasts oder den Verlust, die Beschädigung oder die verspätete Aushändigung des Gepäcks verursacht hat.

A. Normzweck und dogmatische Einordnung.

 

Rn 1

§ 30 wurde durch das am 25.4.13 in Kraft getretene Gesetz zur Reform des Seehandelsrechts (BGBl I 13, 831) neu in die ZPO eingegliedert. § 30 aF, der hierfür weichen musste, wurde in § 30a umbenannt. Dabei orientiert sich § 30 I am ›Vorbild‹ in § 440 HGB aF und § 30 II an den ›Vorbildern‹ in Art 17 f des Athener Übereinkommens von 2002 über die Beförderung von Reisenden und ihrem Gepäck auf See sowie in den Art 14 f der Anl zu § 664 HGB aF, wobei die bisherigen HGB – Normen in modifizierter Form in die ZPO überführt werden (BTDrs 17/10309, S 142). Hierdurch soll in Anknüpfung an die Vorschrift des § 30 aF (= § 30a nF), die bereits eine Zuständigkeitsnorm mit Bezug zum Seehandelsrecht enthielt, eine ›Bündelung‹ bestehender Vorschriften über den Gerichtsstand bei Beförderungen unter besonderer Berücksichtigung der Beförderungen über See erfolgen (BTDrs 17/10309, S 141f). Wie sich aus Systematik und Gesetzeswortlaut (vgl das Wörtchen ›auch‹ in § 30 I, II) ergibt, enthält § 30 besondere Gerichtsstände, die dem Kl in ihrem Anwendungsbereich ein Wahlrecht gem § 35 eröffnen.

B. Anwendungsbereich.

 

Rn 2

Der Gesetzgeber hat den Anwendungsbereich des § 30 bewusst breit angelegt und die darin geregelten Gerichtsstände, soweit deren Tatbestand reicht (vgl § 30 I: nur ›Güterbeförderungen‹ und § 30 II: nur Beförderung von ›Fahrgästen auf Schiffen‹), auf sämtliche Beförderungen bezogen, ohne dass eine vereinbarte Beförderung einer spezifischen Vertragsform oder einem Normenkomplex des HGB unterfallen müsste (BTDrs 17/10309, S 142; Zö/Schultzky § 30 Rz 1; BeckOKZPO/Toussaint § 30 Rz 3f). In erster Linie regelt § 30 die örtliche Zuständigkeit durch Schaffung besonderer Gerichtsstände (BTDrs 17/10309, S 142). Von § 30 unberührt bleiben naturgemäß verdrängende Spezialnormen, die für bestimmte Sachverhaltskomplexe (wie zB § 3 I 2 BinSchGerG für Binnenschifffahrtssachen) ausschließliche oder (wie ggf § 56 LuftVG) speziellere Zuständigkeiten normieren (BTDrs 17/10309, S 142). § 30 indiziert überdies nach den allgemeinen Regeln die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte, soweit die Vorschrift nicht hinter anwendungsvorrangingen Spezialnormen in Staatsverträgen oder des Europarechts zurücktreten muss (so auch zu § 440 HGB aF: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Schaffert, § 440 Rz 2); insb ist auf Art 4, 7 Nr 1 EuGVVO und Art 2, 5 Nr 1 LuGVÜ II hinzuweisen (ThoPu/Hüßtege § 30 Rz 3). Da es für Beförderungsvorgänge zahlreiche solcher Spezialnormen gibt (BeckOKZPO/Toussaint § 30 Rz 24; vgl die Übersichten bei: Zö/Schultzky § 30 Rz 2, § 29 Rz 25.20), liegt es nahe, dass § 30 primär für inlandsbezogene Rechtsstreitigkeiten Bedeutung entfaltet.

C. Rechtsstreitigkeiten aus einer Güterbeförderung (§ 30 I).

I. Gerichtsstand am Ort der Übernahme oder an dem für die Ablieferung vorgesehenen Ort (§ 30 I 1).

 

Rn 3

Das vom Gesetzgeber bewusst weit ausgestaltete Merkmal der ›Güterbeförderung‹ erfasst sämtliche Güterbeförderungen, ungeachtet des Transportweges – gleich, ob über Land, See, auf Binnengewässern oder in der Luft – und unabhängig davon, ob die vereinbarte Beförderung einer spezifischen Vertragsform oder einem Regelungskomplex des HGB – insb den Frachtgeschäften iSd §§ 407 ff HGB – unterfällt (BTDrs 17/10309, S 142; Zö/Schultzky § 30 Rz 3; BeckOKZPO/Toussaint § 30 Rz 3 f; Anders/Gehle/Bünnigmann ZPO § 30 Rz 2). Dazu zählt auch ein Umzugsvertrag, bei dem es sich gem § 451 HGB um einen Unterfall des Frachtvertrags handelt. Auch Beförderungen auf sehr kurzen Transportwegen (wie zB Klaviertransport innerhalb eines Gebäudes, Hamm Urt v 13.7.15 – 32 SA 28/15) können erfasst sein. Rechtsstreitigkeiten gem § 30 I ZPO sind demnach alle Aktiv- und Passivprozesse, mit denen Ansprüche von den an der Beförderung Beteiligten gegeneinander geltend gemacht werden; gleichgültig ist, ob es sich um vertragliche Ansprüche der Parteien des Beförderungsvertrags oder um gesonderte, insb auch deliktische Ansprüche (zB bei Unfallschäden) handelt (Hamm Beschl v 25.6.18 – I-32 SA 17/18, Rz 19 – juris; Zö/Schultzky § 30 Rz 3; BeckOKZPO/Toussaint § 30 Rz 6).

 

Rn 4

Auch dürfte für das Eingreifen des § 30 I 1 nicht erforderlich sein, dass deutsches Sachrecht ...

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