Rn 4

Nicht gerichtskundig ist das private Wissen des Richters, weil es gerade nicht aus dienstlicher Tätigkeit bekannt geworden ist (verfehlt deshalb Nürnbg NJW 20, 3603 [OLG Nürnberg 20.08.2020 - 13 U 1187/20] Rz 23 f m Anm Scholten; krit dazu auch Jäckel MDR 21, 465, 466). Dies folgt bereits aus dem Grundsatz, dass niemand in einer Person zugleich Richter und Zeuge sein darf (vgl § 41 Rn 30). Die private Augenscheineinnahme eines Richters ist jedoch dann zulässig, wenn sie dazu dient, das Vorhandensein einer offenkundigen Tatsache zu bestätigen, also etwa die Existenz einer Ampelanlage an einer bestimmten Kreuzung (Zö/Greger Rz 1). Zu unterscheiden von der Gerichtskundigkeit einer Tatsache ist auch die eigene Sachkunde des Gerichts, die es sich durch die jahrelange Bearbeitung ähnl liegender Rechtsstreitigkeiten erworben hat. Diese Kenntnisse begründen keine Offenkundigkeit iSd § 291 (aA BGH NJW 98, 3498, 3499 [BGH 02.04.1998 - I ZR 1/96]: jahrelange Erfahrung aus Prozessen mit Arzneimittelwerbung), können aber im Einzelfall die Einholung eines Sachverständigengutachtens entbehrlich machen (BGH NJW-RR 07, 357, 358 [BGH 23.11.2006 - III ZR 65/06]). Die Frage, wie angesprochene Verkehrskreise eine bestimmte Werbung verstehen, kann deshalb nicht iSd § 291 offenkundig sein, weil sich die Feststellung der Verkehrsauffassung auf Erfahrungswissen stützt, § 291 aber nur auf Tatsachen, nicht auf Erfahrungssätze anwendbar ist (BGHZ 156, 250, 252 = NJW 04, 1163, 1164).

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