Rn 19

Sowohl das Gericht (1. Alt) als auch die Parteien (2. Alt) können einen Vergleich schriftlich vorschlagen. ›Unterbreiten‹ gem Abs 6 S 1 erfordert eine eigenständige, von der Erklärung der Annahme der außergerichtlichen Vereinbarung abgesetzte Erklärung der Parteien ggü dem Gericht. Eine gemeinsame Erklärung oder die Erklärung einer Partei mit Zustimmung der anderen Partei reicht wegen der Formstrenge nicht aus (Karlsr NJW-RR 11, 7), auch nicht eine Erklärung nur zu Protokoll oder Tonträger ohne erneute Annahme durch Schriftsatz (Hamm NJW-RR 12, 882 [OLG Hamm 13.01.2012 - I-9 U 45/11]). Ein Vergleichsvorschlag beider Parteien liegt auch dann vor, wenn eine Partei dem Gericht einen Vergleichsvorschlag unterbreitet und die andere Partei gegenüber dem Gericht schriftsätzlich erklärt, sie sei mit diesem Vergleichsvorschlag einverstanden (BAG NZA 16, 1485 [BAG 08.06.2016 - 7 AZR 339/14]).

 

Rn 20

Nach BGH (NJW 15, 2965 [BGH 14.07.2015 - VI ZR 326/14]) war das Erfordernis der Annahme eines Vergleichsvorschlags durch Schriftsatz gegenüber dem Gericht nicht erfüllt, wenn eine Partei in der mündlichen Verhandlung zu einem vom Gericht unterbreiteten und protokollierten Vergleichsvorschlag ihre Zustimmung zu Protokoll erklärt und die Gegenpartei außerhalb der mündlichen Verhandlung innerhalb einer vom Gericht gesetzten Frist mit Schriftsatz ihre Zustimmung erklärt. Durch die Änderung in § 278 Abs 6 S 1 idF v 12.12.19 (BGBl I S 2633) zum 1.1.20 wird auch in Fällen, in denen die andere Partei ihre Annahme später schriftsätzlich erklärt, der Abschluss eines wirksamen gerichtlichen Vergleichs ermöglicht. Hat das Gericht den Parteien eine Frist zur Stellungnahme zum gerichtlichen Vergleichsvorschlag gesetzt, so kommt ein Vergleich auch dann zustande, wenn beide Parteien erst nach Ablauf der Frist die Annahme des Vergleichsvorschlages erklären (LAG Ddorf ZTR 15, 162). Allein die Mitteilung der Einigung und die wechselseitige Einreichung eines wortidentischen Vergleichstextes bei Gericht führt weder zur Beendigung des Rechtsstreits noch zu einem anspruchsbegründenden Prozessvergleich. Erst durch unanfechtbaren (München MDR 03, 533) Beschl kommt ein verfahrensbeendender Vergleich zustande (LAG SchlH 13.7.17 5 Sa 252/16 juris). Wird ein Prozessvergleich angefochten, so ist über dessen Wirksamkeit auch dann durch Fortführung des Rechtsstreits zu entscheiden, wenn bis zur Anfechtung noch kein Beschluss ergangen war. Ergibt sich aus dieser Fortführung, dass die Anfechtung des Vergleichs unwirksam, so ist dessen Zustandekommen und Inhalt in analoger Anwendung dieser Bestimmung durch Urteil auszusprechen (SchlH SchlHA 17, 144).

a) Widerrufsvorbehalt.

 

Rn 21

Mit dem Vorbehalt wird nicht der Widerruf als solcher unter eine Bedingung gestellt, vielmehr werden die Voraussetzungen festgelegt, unter welchen ein wirksamer Widerruf (bedingungslos) erklärt werden darf (BGH NJW 72, 159; Zweibr FamRZ 10, 1357 gegen Oldbg OLGR 08, 435). Die Widerrufsmodalitäten sind genau zu bestimmen. Wird nichts vereinbart, kann der Widerruf sowohl dem Gericht als auch der anderen Vergleichspartei ggü erklärt werden (BGHZ 164, 190). Haben die Parteien (konkludent) vereinbart, dass eine Widerrufserklärung (auch) ggü dem Gericht erfolgen kann, so ist ein nur dem Gericht ggü erklärter Widerruf wirksam (BGH MDR 05, 1429 [BGH 22.06.2005 - VIII ZR 214/04]). Bei einem Vergleichsabschluss auf Vorschlag des Gerichts tritt an die Stelle des anderen iSd § 130 I 2 BGB, d.h. des Prozessgegners, das Gericht, das als Empfangsvertreter der anderen Partei angesehen werden kann (Köln MDR 16, 547). Die Parteien können eine in einem Prozessvergleich wirksam vereinbarte Widerrufsfrist vor deren Ablauf ohne Mitwirkung des Gerichts verlängern. Ein im Prozessvergleich nicht enthaltenes Widerrufsrecht kann von den Parteien nachträglich nur wirksam vereinbart werden, wenn die für den Prozessvergleich geltenden Förmlichkeiten eingehalten werden und die prozessbeendende Wirkung des Vergleichs noch nicht eingetreten ist (BGH NJW-RR 18, 1023 [BGH 19.04.2018 - IX ZR 222/17]).

b) Schriftform.

 

Rn 22

Gemäß § 127a BGB wird die notarielle Beurkundung durch einen Protokollvergleich ersetzt (BGHZ 214, 45). Das Gericht ist zur Protokollierung eines Vergleiches grds verpflichtet, selbst wenn dieser Vergleich nicht anhängige bzw. anderweitig anhängige Streitigkeiten der Parteien betrifft, soweit der Vergleich den anhängigen Streitgegenstand wenigstens mit betrifft. Dem Gericht steht keine Prüfungskompetenz hinsichtlich des Vergleichsinhalts zu. Eine Feststellung ist lediglich bei formalen Mängeln zu verweigern wie einer fehlenden Vollstreckungsfähigkeit oder bei Verstößen gegen die guten Sitten oder strafrechtlichen Bestimmungen (Dresd ZD 23, 42).

 

Rn 23

Vereinbarungen, die eine notarielle Beurkundung erfordern (zB Auflassung § 925 BGB; Zugewinn § 1378 III 2 BGB; Versorgungsausgleich § 7 VersAusglG; Erbanteilsverfügung § 2033 I 2 BGB; Geschäftsanteilsabtretung § 15 III GmbHG), kommen durch einen Beschlussvergleich formwirksam zustande. Dies...

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