Rn 8

Für die Aufnahme sind in den §§ 85, 86, 180 II 184 I 2 InsO Spezialregelungen vorhanden, d.h. die Aufnahme richtet sich insoweit nach der InsO (BGH NJW-RR 14, 1270; 22, 1350 Rz 13; BeckRS 22, 1469 Rz 4 = ZInsO 22, 591). Danach sind aufnahmeberechtigt in erster Linie der Insolvenzverwalter (§§ 85 I 1, 86 I InsO) sowie der Gegner (§§ 85 II, 86 I, 180 I, 184 I 2 InsO) und im Aktivprozess auch der Schuldner, wenn der Verwalter die Aufnahme ablehnt (§ 85 II InsO). Ist die mit der Klage des Versicherungsnehmers geltend gemachte Forderung nach Rechtshängigkeit auf den Versicherer übergegangen (Abtretung oder Legalzession) und fällt der Versicherungsnehmer dann in Insolvenz, ist der Insolvenzverwalter befugt, den unterbrochenen Rechtsstreit aufzunehmen und im eigenen Namen gerichtlich geltend zu machen; die Prozessführungsbefugnis ergibt sich durch die in § 86 II VVG dem Versicherungsnehmer auferlegten Obliegenheit; die Interessen des Versicherers zu wahren (BGH NJOZ 23, 89 = BeckRS 22, 38229). Die Wirksamkeit der Aufnahme durch den Insolvenzverwalter hängt nicht von den Erfolgsaussichten seiner Rechtsverfolgung oder -verteidigung ab (BGH NJW-RR 22, 1350). Die Aufnahme des Verfahrens richtet sich gem § 15 EuInsVO nach deutschem Recht (BGH ZIP 13, 1447). Der Insolvenzschuldner ist darüber hinaus nur aufnahmebefugt, wenn der Verwalter den streitbefangenen Gegenstand aus der Masse freigibt (BGH, MDR 16, 1223). Das bedeutet bei einer Zwangsvollstreckung aus einer Grundschuld, dass nicht nur die Grundschuld, sondern auch das Grundstück freigegeben werden müssen (BGH ZInsO 18, 1369). Geht der Schuldner irrig von seiner Prozessführungsbefugnis aus und erklärt er die Aufnahme des Verfahrens, ist er durch Beschl aus dem Prozess zu weisen (BFH/NV 09, 1149 [BFH 19.03.2009 - X B 224/08]). Darüber hinaus findet § 239 II–IV entsprechende Anwendung, wenn der Verwalter die Aufnahme verzögert. Allerdings gilt § 239 II nur für den Gegner und nicht für den Schuldner bzw den Nebenintervenienten des Schuldners (BGH NJW-RR 10, 1351 [BGH 11.02.2010 - VII ZR 225/07]). Bei einer Doppelunterbrechung (zuerst § 239 und vor Aufnahme Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens) kann nur noch für und gegen den Insolvenzverwalter aufgenommen werden (BAG NZA 22, 217; Anders/Gehle/Becker ZPO § 240 Rz 5 ›Doppelunterbrechung‹; § 239 Rn 17a).

Der Insolvenzverwalter kann die Klage zurücknehmen, ohne die Aufnahme erklärt zu haben (Celle ZIP 11, 2127). Nach mündlicher Verhandlung bedarf die Rücknahme der Zustimmung der Beklagtenseite, die nicht fingiert werden kann (§ 269 II 4), wenn vor der Erklärung das Insolvenzverfahren eröffnet wurde (Ddorf NZG 13, 875).

 

Rn 9

Um Aktivprozesse iSd § 85 InsO handelt es sich bei Prozessen, mit denen zugunsten des Schuldners ein Recht – das kann auch die Befreiung von Pflichten und Lasten sein – geltend gemacht wird und dieses zur Masse gelangen soll; auf die formale Parteirolle kommt es nicht an; maßgeblich ist vielmehr der materielle Inhalt des Begehrens (BGH NJW-RR 05, 989; 10, 1053; BeckRS 12, 9227; BFH/NV 09, 1149; BFH/NV 15, 1607; Hambg ZInsO 13, 2178). Auf die Fragen, ob eine erbrachte Leistung in der Masse verbleibt und ob Schadensersatzansprüche nach § 717 II bestehen, kommt es nicht an (Hambg ZInsO 13, 2178).

 

Rn 10

Passivprozesse iSd § 86 InsO sind Prozesse, in denen ein Recht gegen den Schuldner geltend gemacht wird, dh die auf die Schmälerung der Insolvenzmasse zielen und die eine Aussonderung (§§ 47, 48 InsO), eine abgesonderte Befriedigung (§§ 4951 InsO) oder Masseverbindlichkeiten (§§ 5355 InsO) betreffen (vgl BGH NJW-RR 10, 1053; BFH/NV 09, 1149 [BFH 19.03.2009 - X B 224/08]). § 86 I Nr 2 InsO greift auch für den Sonderfall des § 110 VVG ein; in diesem Fall wird dem Gläubiger das Recht eingeräumt, gegen den Insolvenzverwalter auf Zahlung, beschränkt auf Leistung aus der Versicherungsforderung zu klagen und so indirekt das Absonderungsrecht geltend zu machen; es wäre eine reine Formalie, im Falle der Rechtshängigkeit einer Schadensersatzklage gegen den Schuldner bei Insolvenzeröffnung den Gläubiger auf einen neuen Prozess zu verweisen; vielmehr kann er mit entsprechender Beschränkung des Klageantrages das Verfahren nach § 86 I Nr 2 InsO aufnehmen (BGH ZIP 13, 1742). Bei einem gegen den Insolvenzschuldner gerichteten gesetzlichen Unterlassungsanspruch wegen Verletzung eines gewerblichen Schutzrechtes des Klägers oder wegen eines Wettbewerbsverstoßes handelt es sich um einen Passivprozess (BGH NJW-RR 10, 1053 [BGH 18.03.2010 - I ZR 158/07]). Das Patentnichtigkeitsverfahren ist eine Streitigkeit, die die Aussonderung des Gegenstandes aus der Insolvenzmasse betrifft, so dass § 86 I Nr 1 InsO eingreift (BGH NJW-RR 13, 1267 [BGH 23.04.2013 - X ZR 169/12]). Auch finanzgerichtliche Verfahren wegen eines Grundlagenbescheides betreffen wegen der präjudiziellen Wirkung der Entscheidung auf spätere Festsetzungsbescheide die Insolvenzmasse, auch wenn es nicht um einen unmittelbaren Anspruch des Finanzamtes geht (BFH/N...

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