Rn 10

Für die Überzeugungsbildung des Gerichts genügt die überwiegende Wahrscheinlichkeit des vorgetragenen Geschehensablaufs (BGH MDR 22, 517 Rz 11; NJW 15, 3517; NJW-RR 11, 136 Rz 7; BGHZ 156, 139, 142). Diese Voraussetzung ist dann erfüllt, wenn bei der erforderlichen umfassenden Würdigung der Umstände des jeweiligen Falls mehr für das Vorliegen der in Rede stehenden Behauptung spricht als dagegen. Grds ist von dem anwaltlich als richtig oder an Eides Statt versichertem Vorbringen auszugehen (BGH NJW-RR 20, 515 [BGH 29.01.2020 - XII ZB 500/19] Rz 12; MDR 18, 1074 f; NJW 15, 349). Will das Rechtsmittelgericht einer eidesstattlichen Versicherung keinen Glauben schenken, muss es den Antragsteller darauf hinweisen, dass zur Prüfung der Zulässigkeit seines Rechtsmittels das vorgelegte Glaubhaftmachungsmittel nicht ausreicht und ihm Gelegenheit geben, etwaige Lücken im Vorbringen zu ergänzen und in anderer Form glaubhaft zu machen (BGH MDR 22, 1363 Rz 16; NJW-RR 20, 818 [BGH 28.04.2020 - VIII ZB 12/19] Rz 26; vgl auch BGH MDR 22, 656 Rz 24 zu der Frage der Zumutbarkeit eines anderen Übermittlungswegs). Etwas anderes gilt aber dann, wenn konkrete Anhaltspunkte es ausschließen, den geschilderten Sachverhalt mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als zutreffend zu erachten (BGH NJW-RR 20, 501 [BGH 18.12.2019 - XII ZB 379/19] Rz 12; MDR 18, 1074 f.; NJOZ 16, 588). Solche Anhaltspunkte können sich aus dem Parteivortrag sowie bei der Akte befindlichen Unterlagen ergeben (BGH NJW 15, 349, 350). Auch Widersprüchlichkeiten in der Sachverhaltsdarstellung bzw der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung können die Glaubhaftmachung ausschließen (BGH NJW 02, 1429 [BGH 17.01.2002 - VII ZB 32/01]). Ebenso wenig kann Wiedereinsetzung gewährt werden, wenn mehrere in wesentlichen Punkten unvereinbare eidesstattliche Versicherungen vorgelegt werden (vgl Nürnbg NJW 06, 2195 [OLG Nürnberg 20.04.2006 - 5 U 456/06]) oder die Angaben des Rechtsanwalts und seiner Mitarbeiterin in ihren eidesstattlichen Erklärungen zur Uhrzeit der Übermittlung der Berufungsschrift mit dem objektiv feststehenden Sachverhalt in Widerspruch stehen (BGH, 30.3.17, III ZB 50/16, juris Rz 10f). Die Glaubhaftmachung setzt in formeller Hinsicht grds eine ordnungsgemäße und detaillierte eidesstattliche Versicherung voraus, die mit dem ausdrücklichen Hinweis versehen ist, dass sie zur Vorlage bei Gericht in dem – sinnvollerweise konkret bezeichneten – Verfahren bestimmt ist. Unzureichend ist es, in der eidesstattlichen Versicherung auf umfangreichen Sachvortrag in einem anderweitigen Schriftstück Bezug zu nehmen; vielmehr ist eine eigene, in sich geschlossene Tatsachenschilderung vorzunehmen, auf die sich die eidesstattliche Versicherung bezieht (BGH NJW 88, 2045, 2046 [BGH 13.01.1988 - IVa ZB 13/87]).

 

Rn 10a

Die Anforderungen an die Glaubhaftmachung dürfen indes nicht überspannt werden (vgl BGH NJW 92, 1898, 1899 [BGH 18.03.1992 - IV ZR 101/91] – krankheitsbedingte Einschränkung der Arbeitsfähigkeit des Anwalts führt dazu, dass er erst kurz vor Fristablauf erkennt, dass die Rechtsmittelbegründung nicht mehr rechtzeitig fertig gestellt werden kann). Zur Glaubhaftmachung eines Versehens (zuverlässige Fachkraft trägt Frist nicht ein oder verstößt sonst gegen allgemeine Anweisungen), bedarf es nicht einer Darlegung näherer Umstände oder von Gründen, die das Versehen erklären könnten (BGH NJW-RR 05, 1006 [BGH 16.11.2004 - VIII ZB 32/04]; NJW 06, 1205). Der Verlust eines fristgebundenen Schriftstücks auf dem Postweg kann regelmäßig nicht anders glaubhaft gemacht werden als durch die Glaubhaftmachung der tatsächlichen Abläufe bis zur rechtzeitigen Aufgabe zur Post (BGH MDR 22, 517 Rz. 9; NJW-RR 19, 827 Rz 21; WM 15, 2161, 2163). Hierfür muss die Möglichkeit ausgeräumt werden, dass der Antrag auf Verlängerung der Frist für die Berufungsbegründung in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten verloren gegangen ist, bevor sie dort versandfertig gemacht worden ist und dies aufgrund unzureichender Kontrolle der ausgehenden Post nicht entdeckt worden ist. Dies kann durch den Nachweis der Erfassung des verloren gegangenen Schriftsatzes in einem Postausgangsbuch geschehen (BGH NJW-RR 19, 827 [BGH 21.03.2019 - V ZB 97/18] Rz 21). Dieses Mittel zur Glaubhaftmachung ist dann allerdings nicht geeignet, wenn zwischen dem Eintrag in das Postausgangsbuch und der Aufgabe des Schriftstücks zur Post ein längerer Zeitraum liegt (BGH MDR 18, 295). Im Zusammenhang mit einer Telefaxübermittlung wird regelmäßig der ausgedruckte Sendebericht zur Glaubhaftmachung beizufügen sein (allerdings kann die Einhaltung der Ausgangskontrolle auch durch Eidesstattliche Versicherung der Hilfskraft glaubhaft gemacht werden, BGH NJW 93, 732). Einzelheiten dazu, wie eine bislang zuverlässig arbeitende Fachkraft vom Rechtsanwalt überwacht worden ist, brauchen nicht mitgeteilt zu werden (BGH NJW 94, 2552). Die Anforderungen an die Glaubhaftmachung können im Einzelfall auch herabgesetzt sein, wenn infolge von Organi...

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