Rn 11

Nach § 236 II 2 kann im Falle der Nachholung der versäumten Prozesshandlung innerhalb der Antragsfrist Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden. Die versäumte Prozesshandlung muss dabei in der für sie vorgeschriebenen Form nachgeholt werden. Auch hier gilt, dass die Prozesshandlung den Grundsätzen der Auslegung unterliegt. Hat etwa der Rechtsanwalt auf einen Hinweis des Gerichts innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist mitgeteilt, dass er die Berufungsbegründung rechtzeitig zur Post gegeben habe und er diese seinem Schriftsatz als Anlage beigefügt, schadet eine fehlende Unterschrift unter dieser Anlage nicht. Die Erklärung des Prozessbevollmächtigten, er füge ›die Kopie der Berufungsbegründung‹ bei, lässt keinen Zweifel, dass er dieser Schrift als der von ihm verantworteten Berufungsbegründung Geltung verschaffen wollte (BGH MDR 21, 1349 [BGH 29.07.2021 - III ZB 84/20] Rz 8f). Weitere Bsp: im Wiedereinsetzungsantrag gegen die versäumte Einspruchsfrist kann die Einlegung des Einspruchs gesehen werden (BVerfG NJW 93, 1635 [BVerfG 02.03.1993 - 1 BvR 249/92]; Zö/Greger Rz 8); eine Berufungsbegründung, aus der klar ersichtlich ist, gegen welches Urt sie sich richtet, enthält konkludent die Einlegung (Wiederholung) des Rechtsmittels, so dass eine Nachholung der Berufung nicht erforderlich ist, wenn wegen fehlender Unterschrift der zunächst eingereichten Rechtsmittelschrift Wiedereinsetzung beantragt wird (BGH NJW 00, 3286). Handelt es sich bei der versäumten Frist um eine Rechtsmittelbegründungsfrist, hilft der Gesichtspunkt, dass die Partei mit dem Wiedereinsetzungsantrag iA auch die versäumte Handlung nachholen will, nicht weiter, weil die inhaltlichen Anforderungen an die Rechtsmittelbegründung regelmäßig nicht gewahrt sind. Ein bloßer Fristverlängerungsantrag kann die gem Abs 2 S 2 nachzuholende Rechtsmittelbegründung nicht ersetzen (BGH NJW 88, 3021 [BGH 13.07.1988 - IVa ZR 303/87]; krit dazu Ganter NJW 94, 164). Hat die Partei im PKH-Verfahren einen Schriftsatz eingereicht, der formell (also auch: Unterzeichnung durch einen am Rechtsmittelgericht zugelassenen Anwalt) und inhaltlich den Anforderungen der Berufungsbegründung entspricht, reicht die Bezugnahme auf diesen Schriftsatz, wobei idR von einer konkludenten Bezugnahme auszugehen ist (BGH NJW 08, 1740 [BGH 05.03.2008 - XII ZB 182/04]; BGH MDR 20, 53 Rz 9). Die Rspr zur ausnahmsweisen Wirksamkeit nicht unterzeichneter Rechtsmittelbegründungsschriften ist auf die Nachholung einer Berufungsbegründung im Zusammenhang mit einem Wiedereinsetzungsantrag nach Einreichung einer mangels Unterzeichnung unwirksamen Begründung nicht übertragbar (BGH MDR 20, 53 [BGH 15.10.2019 - VI ZB 22/19] Rz 12).

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