Rn 21

Erst mit der Verkündung will das Gericht für die Verbindlichkeit seines Spruches einstehen. Mithin verleiht erst die Verlautbarung des Urteils im Verkündungstermin dem Urt rechtliche Existenz (BGHZ 14, 39, 44) und setzt die Rechtsmittelfrist in Lauf. Der Beweis der ordnungsgemäßen Verkündung kann nur durch das Protokoll erbracht werden (BGH MDR 11, 681). Vor der Verkündung besitzt das Urt lediglich die Rechtsqualität eines Entscheidungsentwurfs. Eine wirksame Urteilsverkündung setzt voraus, dass die Urteilsformel im Zeitpunkt der Verkündung schriftlich niedergelegt ist. Hierzu genügt auch ein in Kurzschrift verfasster Text (BGH NJW 99, 794 [BGH 23.10.1998 - LwZR 3/98]). Die schriftlich fixierte Urteilsformel muss nicht Bestandteil der Akten werden (BGH NJW 15, 2342 [BGH 21.04.2015 - VI ZR 132/13]). Es steht der Wirksamkeit der Verkündung nicht entgegen, wenn das Protokoll unter Verstoß gegen § 160a II nicht unverzüglich nach der Sitzung gefertigt wird und die Förmlichkeiten des § 160a nicht eingehalten werden. Allerdings besitzt ein nachträglich hergestelltes Protokoll, das die Verkündung einer Entscheidung feststellt, die Beweiskraft des § 165 nur dann, wenn es innerhalb der Fünfmonatsfrist der §§ 517, 548 erstellt worden ist (BGH MDR 11, 681 [BGH 13.04.2011 - XII ZR 131/09]). Nicht erforderlich ist indessen, dass das innerhalb der Fünfmonatsfrist verfasste Protokoll auch innerhalb von fünf Monaten zu den Akten gelangt (BGH NJW-RR 22, 1363). Geschieht dies nicht und kann daher innerhalb der Frist des § 517 Hs 2 nicht nachvollzogen werden, ob eine Entscheidung verkündet wurde, ist die Gewährung von Wiedereinsetzung zu erwägen (BGH NJW-RR 22, 1363). Aus dem Verkündungsprotokoll muss hervorgehen, dass die Verkündung in einer öffentlichen Sitzung in der Form des § 311 II vollzogen wurde. Jedoch ist es nicht erforderlich, dass die Protokollierung nach den einzelnen Tatbestandsalternativen des § 311 II 1 und 2 differenziert. In der Regel genügt die Formulierung, dass ›das anliegende Urt verkündet worden ist‹ (BGH NJW 85, 1782 [BGH 16.10.1984 - VI ZR 205/83]; BGH NJW-RR 04, 1651, 1652). Für eine Bezugnahme auf die Urteilsformel kann es genügen, wenn die Urteilsformel in einer für Laien verständlichen Form wiedergegeben wird (›es bleibt alles beim Alten‹: hinreichende Bezugnahme auf eine Urteilsformel, die ein Versäumnisurteil aufrechterhält, BGH NJW-RR 22, 1363 [BGH 23.06.2022 - VII ZB 5/21]). Der Verkündungsvermerk des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle nach § 315 III und die dienstliche Äußerung des Richters ersetzen die fehlende Protokollierung nicht (Brandbg FamRZ 02, 467). Auch wird die nicht protokollierte Verkündung nicht durch die förmliche Zustellung des Urteils ersetzt (BAG NJW 21, 1833 [BAG 23.03.2021 - 3 AZR 224/20]; München Urt v 29.7.11 – 10 U 425/11). Allerdings steht die fehlende Verkündung der Wirksamkeit eines Urteils nicht entgegen, wenn das Urteil auf Verlassung des Gerichts den Parteien förmlich zugestellt worden ist und die Parteien die Zustellung als Verlautbarung des Gerichts über die Entscheidung verstehen durften (BGH NJW 04, 2019 [BGH 12.03.2004 - V ZR 37/03]; BAG NZA 22, 724 [BAG 08.03.2022 - 3 AZR 361/21]). Zur Anfechtbarkeit sog. Scheinurteile vgl § 511 Rn 8.

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