Rn 24

Fehlt dem angerufenen Gericht die Entscheidungsbefugnis über die zur Aufrechnung gestellte Forderung, so folgt hieraus nicht zwingend, dass der Aufrechnungseinwand als solcher im Prozess ausgeschlossen werden muss. Bejaht man die sachlichrechtliche Zulässigkeit der Aufrechnung (BGHZ 16, 124, 131 ff), so ist der unauflösbar erscheinende Widerspruch zwischen der zwingenden Auseinandersetzung mit dem Aufrechnungseinwand und der fehlenden eigenen Entscheidungsbefugnis über die zur Aufrechnung gestellte Forderung pragmatisch durch Aussetzung des Verfahrens nach § 148 zu überwinden: Dem Aufrechnenden ist ggf unter Fristsetzung Gelegenheit zu geben, die zur Aufrechnung gestellte Forderung im dafür zuständigen Rechtsweg zu prüfen (BFH NJW 02, 3128). Die Entscheidung über eine Aussetzung steht gem § 148 im Ermessen des Gerichts. Wenngleich die Ausübung des Ermessens im Regelfall eine Aussetzung des Verfahrens verlangt, können die Umstände des jeweiligen Einzelfalls einer Aussetzung entgegenstehen (BVerwG NJW 03, 2555 [BSG 21.11.2002 - B 11 AL 10/02 R] für die Aussetzung nach § 94 VwGO). Kommt der Aufrechnende freilich der Aufforderung zur rechtswegkonformen Rechtsverfolgung nicht nach, ist der ausgesetzte Rechtsstreit fortzuführen: Aufgrund der fehlenden Entscheidungsbefugnis über die zur Aufrechnung gestellte Forderung ist es folgerichtig, ohne Berücksichtigung des Aufrechnungseinwands zu erkennen. Nur wenn sich das angerufene Gericht einer Entscheidung über die zur Aufrechnung gestellte Forderung enthält, kann die Rechtsfolge des § 322 II vermieden werden. Nunmehr steht es dem Aufrechnenden frei, die Forderung im dafür bereitstehenden Rechtsweg einzuklagen (BGHZ 16, 140; St/J/Althammer Rz 37). Das BAG (MDR 08, 464) hält es im Fall der Aufrechnung mit rechtswegfremden Gegenforderungen für zulässig, ein Vorbehaltsurteil über die rechtswegkonforme Klageforderung zu erlassen und den Rechtsstreit sodann nach § 17a II 1 GVG an das für die Gegenforderung zuständige Gericht zu verweisen. Diese Lösung vermag nicht zu überzeugen, da sie dem für die Entscheidung über die Gegenforderung zuständigen Gericht zugleich das Nachverfahren gem § 302 IV über das Vorbehaltsurteil überträgt. Diese Möglichkeit sieht § 302 IV nicht vor, der anordnet, dass der Rechtsstreit in Betreff der vorbehaltenen Aufrechnung (ergo: vor demselben Gericht) anhängig bleibt. Überdies müsste nunmehr das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen wurde, seinerseits über den im Vorbehaltsurteil titulierten rechtswegfremden Anspruch entscheiden. Schließlich darf die Begründung eines neuen Prozessrechtsverhältnisses in dem für die Gegenforderung eröffneten Rechtsweg nicht durch Verweisung nach § 17a II 1 GVG geschehen, sondern muss den Parteien vorbehalten bleiben. Die Aussetzung des Verfahrens nach § 148 erscheint aus den dargelegten Erwägungen auch bei Aufrechnungen mit Gegenforderungen, die einer Schiedsabrede unterliegen, vorzugswürdig (Celle MDR 16, 546 [OLG Celle 02.03.2016 - 13 U 140/15]; aA Bamb Urt v 28.9.16 – 3 U 43/16 und Zweibr MDR 13, 1368: Erlass eines Endurteils über die Klageforderung ohne Berücksichtigung des Aufrechnungseinwandes).

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