Leitsatz (amtlich)

1. Die Aufrechnung mit einer Gegenforderung, die einer rechtswirksam vereinbarten Schiedsabrede unterliegt, darf im Rechtsstreit vor einem staatlichen Prozessgericht nicht zugelassen werden: Die Schiedsabrede beinhaltet ein vertragliches Verbot, sich in einem Prozess auf die Aufrechnung mit einer Gegenforderung zu berufen, über die nach dem Willen der Beteiligten das Schiedsgericht entscheiden soll (Anschluss an BGHZ 38, 254 Rn. 35; 60, 85; BGH MDR 2008, 461 Rn. 10; SchiedsVZ 2010, 275).

2. Da die der Schiedsabrede unterliegende Gegenforderung nicht berücksichtigt werden darf, ist über die (hier unstreitige) Hauptforderung abschließend zu entscheiden. Es kommen deshalb weder ein Vorbehaltsurteil (§ 302 ZPO) noch die Aussetzung des Verfahrens wegen Vorgreiflichkeit entsprechend § 148 ZPO in Betracht (Anschluss an OLG Zweibrücken MDR 2013, 1368; entgegen OLG Celle MDR 2016, 546).

3. Die Einrede der Schiedsabrede schließt auch die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts gemäß § 273 BGB aus.

 

Verfahrensgang

LG Würzburg (Urteil vom 11.02.2016; Aktenzeichen 1 HKO 2397/14)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des LG Würzburg - 1. Handelskammer - vom 11.02.2016 wie folgt abgeändert und neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 172.974,08 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz

ID5 aus einem Teilbetrag von 6.266,66 EUR seit dem 22.07.2013 ID7 aus einem Teilbetrag von 6.266,66 EUR seit dem 22.08.2013

ID9 aus einem Teilbetrag von 6.266,66 EUR seit dem 22.09.2013 ID11 aus einem Teilbetrag von 6.266,66 EUR seit dem 22.10.2013 ID13, 14 aus einem Teilbetrag von 141.000,00 EUR seit dem 22.11.2013 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weiter gehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Klägerin 25 % und die Beklagte 75 % zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin stellt Druckmaschinen her. Sie hat mit der Beklagten, einer in Estland ansässigen Druckerei, zwei Kaufverträge geschlossen, und zwar

1. Kaufvertrag Nr. X1 vom 19.11.2010 (Anlage K 2) über eine gebrauchte Druckmaschine A. zum Kaufpreis von 470.000,00 EUR zzgl. 46.079,00 EUR Zinsen u.

2. Kaufvertrag Nr. X2 vom 12.09.2011 (Anlage K 1) über eine neue Druckmaschine B. zum Kaufpreis von 595.000,00 EUR zzgl. Zinsen.

Beide Kaufverträge sehen Aufrechnungsverbote für streitige Forderungen vor. Die Parteien haben die Geltung deutschen Rechts unter Ausschluss des UN-Kaufrechts vereinbart. Der Kaufvertrag Nr. 2 über die neue Druckmaschine enthält zudem eine Schiedsabrede (S. 10, 2. Absatz, Anlage K 1).

Die Beklagte hatte bereits am 17.09.2013 den Rücktritt bezüglich des Kaufvertrages Nr. 2 erklärt (Anlage B 7); sie verlangt insoweit die Rückabwicklung, insbesondere die Rückzahlung des bereits gezahlten Kaufpreises in Höhe von 374.683,64 EUR. Mit Schreiben vom 02.10.2013 (Anlage B 11) berief sich die Beklagte auf ein hieraus resultierendes Zurückbehaltungsrecht. Mit weiterem vorgerichtlichen Schreiben ihrer Rechtsanwälte vom 05.03.2014 erklärte die Beklagte die Aufrechnung mit Mängelansprüchen aus dem Kaufvertrag Nr. X2 (Anlage K3) gegenüber der hier streitgegenständlichen Forderung.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte am 12.08.2014 den Erlass eines europäischen Zahlungsbefehls über eine Hauptforderung in Höhe von 356.693,03 EUR beantragt.

Hiervon entfiel ein Teilbetrag von 183.718,66 EUR auf den Vertrag Nr. 2 (neue Druckmaschine). Ein weiterer Teilbetrag von 172.974,08 EUR beruhte auf Restansprüchen aus dem Vertrag Nr. 1 (gebrauchte Druckmaschine).

Nach Widerspruch der Beklagten hat die Klägerin mit Anspruchsbegründung vom 13.05.2015 (Bl. 80 d.A.) ihren Anspruch nur hinsichtlich des Restanspruchs aus dem Vertrag Nr. 1 (gebrauchte Druckmaschine) begründet und im Übrigen, um zur Durchführung eines Schiedsverfahrens die Rechtshängigkeit zu beseitigen, den Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens zurückgenommen (Bl. 82 d.A.).

Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist damit nur noch die (Rest-)Kaufpreisforderung über 172.974,37 EUR aus dem Kaufvertrag Nr. X1 vom 19.11.2010 über eine gebrauchte Druckmaschine A. (Anlage K 2), und zwar die letzten vier Raten aus dem Betrag von 188.000,00 EUR incl. Zinsen (4 × 7.773,27 EUR) sowie die Schlussrate in Höhe von 144.000,00 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 881,00 EUR.

Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 172.974,08 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz

ID5 aus einem Teilbetrag von 7.773,27 E...

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