Rn 5

Durch Abs 1 wird die Partei ebenso zum vollständigen Tatsachenvortrag verpflichtet. Sie darf bewusst keine zur Klarstellung des Sachverhalts erkennbar erforderliche Tatsache verschweigen (sog Verbot der Halbwahrheit). Dadurch wird die Partei allerdings nicht verpflichtet, alle Einzelheiten des streitigen Lebenssachverhalts detailliert darzulegen. Vielmehr genügt es, diejenigen Umstände wiederzugeben, aus denen sich die für die gewünschte Rechtsfolge notwendigen Voraussetzungen ergeben (BGH MDR 19, 119 u 212; ZIP 13, 221; NJW 91, 2707; 99, 2887; 00, 3286; NJW-RR 98, 1409; BGHReport 05, 1589). Der Umfang des vollständigen Vortrags hängt also in zentraler Weise von der Verteilung der Beweislast ab. Eine darüber hinausgehende Aufklärungspflicht der nicht beweisbelasteten Partei gibt es im deutschen Recht nicht (s.u. Rn 20).

Bezüglich der Tatsachen, die Einwendungen des Gegners begründen, gilt zwar grds, dass der Gegner neben der Beweislast auch die Darlegungslast trägt. Jedoch dürfen vom Anspruchsteller solche Tatsachen, von deren rechtshemmender, -hindernder oder -vernichtender Wirkung er selbst überzeugt ist, nicht verschwiegen werden (Brand AnwBl 14, 291). ZB darf der Kl nicht den vollen Betrag einklagen, wenn er bereits eine Teilzahlung erhalten hat und von dieser weiß (vgl MüKoZPO/Wagner Rz 6). Auch außergerichtlich von der Gegenseite bereits geltend gemacht Einreden dürfen nicht verschwiegen werden.

Müsste die Partei sich bei vollständigem Vortrag einer Straftat oder der Unehrenhaftigkeit bezichtigen, gewährt die hM ihr eine Ausnahme vom wahrheitsgemäßen und vollständigen Vortrag (BVerfG NJW 81, 1431 [BVerfG 13.01.1981 - 1 BvR 116/77]; St/J/Kern Rz 13 mwN, jedoch selbst zweifelnd). Dabei wird jedoch übersehen, dass die Position einer Partei vor Gericht nicht gleichzustellen ist mit der eines Zeugen, dem ein entsprechendes Aussageverweigerungsrecht nach § 384 Nr 2 zusteht: Der Zeuge wird völlig unfreiwillig in einen Prozess gezogen und muss deswegen geschützt werden. Die Parteien hingegen können vor Klageerhebung das Für und Wider eines Rechtsstreits bedenken, so dass sie abschätzen können, was sie entsprechend vorzutragen haben werden (vgl MüKoZPO/Wagner Rz 15).

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