Rn 2

In jüngster Zeit werden speziell die Investitionsschiedsgerichtsbarkeit (s.u. Rn 13) und darüber hinaus allgemein die Handelsschiedsgerichtsbarkeit mit merkwürdigen Vorwürfen überzogen (Schattenjustiz, private Paralleljustiz, Geheimjustiz). Insbesondere durch die Verhandlungen der EU mit Kanada (CETA) und mit den USA (TTIP) hat sich diese Kritik ausgebreitet. In ungewöhnlichem Maße werden hierbei diffuse Ängste und Vorurteile sowie ideologische Barrieren aufgebaut und verstärkt. Verkannt wird, dass Schiedsgerichtsbarkeit als Teil der ZPO seit 1877 als staatlich garantierte Verfahrensmöglichkeit existiert. Verkannt wird auch der gewichtige Unterschied zwischen der Handelsschiedsgerichtsbarkeit und der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit (Elsing SchiedsVZ 19, 16; Elsing/Grote RIW 18, 321). Zu beachten gilt es weiter, dass Deutschland das weltweit erste Investitionsschutzabkommen im Jahre 1959 abschloss (mit Pakistan), dass seither die EU-Staaten mehr als 1400 solcher Abkommen geschlossen haben, dass Schiedsgerichtsbarkeit stets einen Konsens beider Streitparteien über das Verfahren voraussetzt und dass deshalb Schiedsgerichtsbarkeit auch keinen unzulässigen Eingriff in das Rechtsprechungsmonopol des Staates darstellt. Im Übrigen entscheiden auch Schiedsgerichte stets nach Recht und Gesetz und Schiedssprüche unterliegen im Grundsatz einer staatlichen Kontrolle (§ 1059). Speziell grenzüberschreitende Konflikte lassen sich wegen der nationalen Ausrichtung staatlicher Gerichtsbarkeit regelmäßig nur durch neutrale Schiedsgerichte lösen (vgl zu dieser Kontroverse Duve AnwBl 14, 511; Duve/Rösch ZVglRWiss 15, 387; Engel SchiedsVZ 15, 218; Elsing/Grote RIW 18, 321; Filges BRAK-Mitt 14, 281; Gramlich/Conen SchiedsVZ 15, 225; Münch ZZPInt 20, 2015, S 431; Prütting AnwBl 15, 564; Risse SchiedsVZ 14, 265; Trappe SchiedsVZ 15, 235; vgl auch den Tagungsbericht JZ 16, 355). Nunmehr hat der EuGH im Fall Achmea entschieden, dass Schiedsklauseln in unionsinternen Investitionsschutzabkommen unzulässig sind (EuGH v 6.3.18, SchiedsVZ 18, 186 [EuGH 06.03.2018 - C-284/16] m abl Anm Kläger = IPRax 18, 609 m abl Anm Bischoff IPRax 18, 588). Das überzeugt nicht (abw auch alle Vorinstanzen sowie der Schlussantrag des Generalanwalts Whatelet; sehr krit auch Kröll SchiedsVZ 19, 135 [BGH 31.10.2018 - I ZB 17/18]; Elsing SchiedsVZ 19, 16). Soweit ersichtlich haben seither viele Schiedsgerichte aus einer völkerrechtlichen Perspektive erklärt, die Achmea-Entscheidung wirke sich nicht auf ihre Zuständigkeit aus. Der EuGH hat seine Auffassung im Fall Komstroy (EuGH v 2.9.21, SchiedsVZ 22, 34) für den Energiechartavertrag (ECT) bestätigt.

Im Herbst 16 hat das BMJV eine Arbeitsgruppe zur Überprüfung des deutschen Schiedsverfahrensrechts eingesetzt. Den Überlegungen der Arbeitsgruppe liegt ein Diskussionspapier des Ministeriums zugrunde, das eine Modernisierung und Verbesserung der §§ 1025 ff anstrebt. Die 2020 vorgelegten Ergebnisse sollen als Buch veröffentlicht werden. Der Inhalt wird vorgestellt von Wolff SchiedsVZ 21, 328. Die Studie unterstreicht die Vorteile der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit und die positiven Effekte für den Schiedsstandort Deutschland. Damit verdeutlicht die Studie, wie sehr die Achmea-Entscheidung des EuGH in die falsche Richtung führt.

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