Gesetzestext

 

(1) Den Vorsitz in den Spruchkörpern bei den Landgerichten, bei den Oberlandesgerichten sowie bei dem Bundesgerichtshof führen der Präsident und die Vorsitzenden Richter.

(2) 1Bei Verhinderung des Vorsitzenden führt den Vorsitz das vom Präsidium bestimmte Mitglied des Spruchkörpers. 2Ist auch dieser Vertreter verhindert, führt das dienstälteste, bei gleichem Dienstalter das lebensälteste Mitglied des Spruchkörpers den Vorsitz.

A. Normzweck.

 

Rn 1

Abs 1 legt mit Gesetzesvorrang für das Präsidium fest, dass es den Vorsitz bei den Kollegialgerichten mit dem Präsidenten und den ernannten Vorsitzenden Richtern einschließlich des Vizepräsidenten besetzen muss, und zwar in allen Spruchkörpern, dessen Vorsitz der Präsident nicht gem § 21e I 3 übernommen hat.

Abs 2 S 1 verpflichtet das Präsidium darüber hinaus, auch den Stellvertreter im Vorsitz des Spruchkörpers bei Verhinderung des Vorsitzenden im Geschäftsverteilungsplan individuell zu bestimmen, und zwar mit dem für diese Aufgabe am besten geeigneten Richter (BGH NJW 09, 931 [BGH 08.01.2009 - 5 StR 537/08] Rz 9). Abs 2 S 2 bestimmt das

Anciennitätsprinzip des Dienstalters und des Lebensalters für die weitere Vertretung hinter dem benannten Vertreter.

 

Rn 2

Die Norm soll gewährleisten, dass die hervorgehobene Stellung des Vorsitzenden durch entsprechend qualifizierte Richter ausgeübt wird (BGH NJW 09, 381 [BGH 10.12.2008 - 1 StR 322/08] Rz 13; BGH NJW 09, 931 [BGH 08.01.2009 - 5 StR 537/08] Rz 7–10), so dass eine mit der Bestenauslese des Art 33 II GG in der Beförderung präsumtiv gewährleistete richterliche Erfahrung im Vorsitz der Spruchkörper dafür sorgt, dass die Rspr des Spruchkörpers von optimaler Qualität, innerhalb des Spruchkörpers widerspruchsfrei und effizient ist und dadurch eine einheitliche Richtung der Rspr entsteht (BGH Urt v 12.3.15 – VII ZR 173/13 – Rz 34). Eine Ausnahme bildet dazu nur § 106 für die auswärtige KfH. Auch für vorübergehend (zur Dauer: BGH NJW 86, 144, 145) gebildete Spruchkörper – Hilfskammern oder Hilfssenate – soll das nicht gelten (BGH NJW 86, 144, 145 [BGH 22.08.1985 - 4 StR 398/85]), was nicht durch den Zweck der Norm begründbar, aber dadurch unvermeidbar erscheint, dass für diese vorübergehend eingerichteten Hilfsspruchkörper, die bei Großverfahren neben dadurch kapazitär erschöpfte Spruchkörper treten müssen, weitere Vorsitzende Richter oft nicht verfügbar sind. Will das Präsidium das Risiko der Prognose über die zulässige Dauer des Hilfsspruchkörpers vermeiden, soll es der Zwickmühle entgehen können, indem es dem Hilfsspruchkörper denselben Vorsitzenden wie dem entlasteten ordentlichen Spruchkörper zuweist, zugleich aber den Vorrang des ordentlichen Spruchkörpers anordnet, sodass der Vorsitzende des Hilfsspruchkörpers ggf nach Abs 2 verhindert und durch den benannten Vertreter im Vorsitz zu vertreten wäre (Meyer-Goßner § 21 f GVG Rz 13).

B. Regelungsgehalt.

I. Vorsitz.

 

Rn 3

Abs 1 betrifft den Vorsitz im Spruchkörper, im überbesetzten Spruchkörper jeder Sitzgruppe, sodass eine Sitzgruppe ohne den Vorsitzenden nicht zulässig ist.

 

Rn 4

Den Spruchkörpern, denen sich der Präsident nicht nach § 21e I 3 angeschlossen hat, muss das Präsidium (BGH NJW 09, 931 [BGH 08.01.2009 - 5 StR 537/08] Rz 9) Vorsitzende Richter als Vorsitzende zuweisen. Der Vorsitzende Richter muss grds ein entsprechendes Richteramt bei diesem Gericht innehaben. Abs 1 schließt aber nicht aus, dass der Vorsitz in einem Spruchkörper durch einen Vorsitzenden Richter eines anderen Gerichts geführt wird, der gem § 37 DRiG abgeordnet ist. Erforderlich ist nur, dass der Richter im Zuweisungs- und Abordnungszeitpunkt bereits Vorsitzender Richter eines instanzgleichen oder höheren Gerichts ist (BGH NJW 09, 381 [BGH 10.12.2008 - 1 StR 322/08] Rz 10, 13). Die Justizverwaltung muss mindestens so viele Spruchkörper einrichten, wie das Gericht einschließlich des Präsidenten und des Vizepräsidenten Vorsitzende Richter hat. Jeder dieser Vorsitzenden Richter hat Anspruch auf mindestens einen Spruchkörpervorsitz (ThoPu/Hüßtege § 21 f GVG Rz 3). Eine Besetzung mit mehreren Vorsitzenden im selben Spruchkörper ist mit Abs 1 unvereinbar und verletzt Art 101 I 2 GG (BGH NJW 55, 103), wenn der Spruchkörper nicht überbesetzt ist; anderenfalls ist Abs 1 gem § 21g bei der Bestimmung der Vorsitzenden der Sitzgruppen des überbesetzten Spruchkörpers zu beachten. Gemäß § 21e I 4 kann der Vorsitzende Richter eines Spruchkörpers daneben aber einem anderen Spruchkörper als Vertreter oder weiteres Mitglied zugewiesen werden (BGH NJW 84, 129 [BGH 22.04.1983 - RiZ (R) 4/82]; Zö/Lückemann § 21 f GVG Rz 10).

 

Rn 5

Da die Anzahl der Spruchkörper nach dem Umfang der Belastung des Gerichts ermittelt wird, bestehen oft mehr Spruchkörper als Vorsitzende Richter vorhanden sind. Deshalb kann jeder Vorsitzende Richter gem § 21e I 4 mehreren Spruchkörpern als Vorsitzender zugewiesen werden (BGH NJW 67, 1566). Zur Besetzung des Vorsitzes mit ›NN‹ s § 21e Rn 17, 18.

II. Verteilungsermessen.

 

Rn 6

Werden einem Vorsitzenden Richter gem § 21e I 4 mehrere Spruchkörper zugewiesen, so muss das Pr...

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