Gesetzestext

 

(1) Die deutsche Gerichtsbarkeit erstreckt sich auch nicht auf Repräsentanten anderer Staaten und deren Begleitung, die sich auf amtliche Einladung der Bundesrepublik Deutschland im Geltungsbereich dieses Gesetzes aufhalten.

(2) Im Übrigen erstreckt sich die deutsche Gerichtsbarkeit auch nicht auf andere als die in Absatz 1 und in den §§ 18 und 19 genannten Personen, soweit sie nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts, auf Grund völkerrechtlicher Vereinbarungen oder sonstiger Rechtsvorschriften von ihr befreit sind.

A. Immunität von Staatsgästen.

 

Rn 1

§ 20 GVG gewährt weiter gehende persönliche Freistellungen von der deutschen Gerichtsbarkeit auf völkerrechtlicher – sei es völkervertrags- oder völkergewohnheitsrechtlicher – Grundlage (Art 25 GG). Der in seiner heutigen Fassung auch als lex Honnecker bezeichnete § 20 I GVG (zum Hintergrund Kissel/Mayer § 20 Rz 39; BGH NJW 93, 141 [BGH 03.11.1992 - 5 StR 370/92] zu § 20 II GVG) behandelt zunächst den Sonderfall eines Aufenthaltes von durch die zuständige Stelle des Bundes oder einer zur Vertretung der BRD befugten Stelle, ggf auch eines Bundeslandes (zweifelnd MüKoZPO/Zimmermann § 20 Rz 3) förmlich eingeladenen Staatsgästen und ihrer Begleitung. Entscheidender Anknüpfungspunkt ist dabei die (amtliche) Einladung, nicht eine im konkreten Fall mit dem Besuch verfolgte ›amtliche Mission‹ (Zö/Lückemann § 20 Rz 1). Die Stellung als Repräsentant des Fremdstaates muss sich aus dessen Verfassung ergeben. IdR wird es sich um Staatsoberhäupter oder um Regierungsmitglieder handeln. Die Personen, die als Begleitung des Staatsgastes Immunität genießen, ergeben sich in der Praxis aus der vom Eingeladenen erstellten und vor dem Besuch dem Gastland überreichten Delegationsliste. Da Staatsoberhäupter bei Besuchen nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegen (vgl Rn 3), betrifft die eigenständige Bedeutung des § 20 I GVG wesentlich den Tross der Begleiter. Dabei kann es sich um Angehörige und Berater, Fahrpersonal, Vertreter der Presse oder auch Sicherheitsleute handeln. Relevanz erlangt § 20 I GVG ferner bei internationalen Konferenzen und Zusammenkünften, bei denen die Teilnehmer als ›Repräsentanten‹ ihres Landes von der Bundesrepublik eingeladen werden. Die Befreiung schließt nach dem insoweit keine Differenzierungen enthaltenden Wortlaut des § 20 GVG auch Personen ein, die im Einzelfall eine deutsche Staatsangehörigkeit besitzen.

B. Erweiterungen der Immunität durch das allgemeine Völkerrecht.

I. Ad-hoc-Diplomatie.

 

Rn 2

Ein Hauptanwendungsfall des § 20 II GVG sind die sog Sonderbotschafter. Insoweit existiert eine von der Staatenpraxis mit Rechtsüberzeugung getragene gewohnheitsrechtliche Regel, wonach es möglich ist, von dem Entsendestaat mit einer besonderen politischen Mission, meist für konkrete Verhandlungsgegenstände, ausgestatteten ›ad-hoc-Botschaftern‹ durch Einzelabsprache mit dem Empfangsstaat über diese Aufgabe und über ihren Status Immunität zu verleihen und sie auf diese Weise den völkervertragsrechtlich geschützten Mitgliedern der ständigen Missionen der Staaten gleichzustellen (BGH NJW 84, 2048 [BGH 27.02.1984 - 3 StR 396/83]). Bestimmte Anforderungen an den Inhalt dieser besonderen Aufgabe werden nach den Regeln des Völkerrechts nicht gestellt, weshalb es auch keiner vorherigen detaillierten Beschreibung der Aufgabe der Sondermission bedarf (Ddorf MDR 83, 512).

II. Funktionelle und sachliche Staatenimmunität.

1. Oberhäupter fremder Staaten.

 

Rn 3

Über die Sonderregelung für Staatsbesuche in § 20 I GVG genießen Staatsoberhäupter fremder souveräner Staaten bereits aufgrund ihrer Stellung nach den allg Regeln des Völkerrechts (§ 20 II GVG, Art 25 GG) weitestgehende persönliche Immunität (auch) in Deutschland. Dies folgt aus dem Grundsatz der – nach Amtsverlust auch nachwirkenden – funktionellen Staatenimmunität. Allg Regeln des Völkerrechts, die nach Art 25 GG Bestandteil des (deutschen) Bundesrechts sind, liegen vor, wenn sie von der überwiegenden Mehrheit der Staaten, nicht notwendigerweise auch von der Bundesrepublik Deutschland, anerkannt werden (BVerfG NJW 63, 435 [BVerfG 30.10.1962 - 2 BvM 1/60]; zum Nichtbestehen eines allg völkerrechtlichen Grundsatzes sog ›freien Geleits‹ für Auslandszeugen BGH NJW 88, 3105 [BGH 24.02.1988 - 3 StR 476/87]). In Zweifelsfällen besteht nach Art 100 II GG eine Vorlagepflicht zum BVerfG. Nach einem idS allg anerkannten völkerrechtlichen Grundsatz ist es nicht zulässig, dass ein Staat über Hoheitsträger eines anderen Staates Gerichtsgewalt ausübt, wenn es um ein Verhalten iR seiner hoheitlichen Amtsausübung geht. Der Begriff der Amtshandlung ist völkerrechtlich im weitesten Verständnis aufzufassen. Darunter ist jeder Akt zu verstehen, der dem Staat in Verfolgung seiner politischen Ziele zuzurechnen ist (Köln NStZ 00, 667 [OLG Köln 16.05.2000 - 2 Zs 1330/99]). Dieses Verfahrenshindernis greift nur in den Ausnahmefällen nicht ein, in denen das konkrete Verhalten eines Staatsoberhaupts unter dem Gesichtspunkt des Verstoßes gegen Völkerstrafrecht inkriminiert ist. Auf diesem Gedanken beruhen auch sog internationale Kriegsverbrechertribunale. Nach dem Rechtsverständnis der Vereinten Nationen soll sich für bestimmte Kriegsverb...

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