Zusammenfassung

 

Art. 63 Brüssel Ia-VO(1) Gesellschaften und juristische Personen haben für die Anwendung dieser Verordnung ihren Wohnsitz an dem Ort, an dem sich

a) ihr satzungsmäßiger Sitz,
b) ihre Hauptverwaltung oder
c) ihre Hauptniederlassung

befindet.

(2) Im Falle Irlands, Zyperns und des Vereinigten Königreichs ist unter dem Ausdruck ›satzungsmäßiger Sitz‹ das registered office oder, wenn ein solches nirgendwo besteht, der place of incorporation (Ort der Erlangung der Rechtsfähigkeit) oder, wenn ein solcher nirgendwo besteht, der Ort, nach dessen Recht die formation (Gründung) erfolgt ist, zu verstehen.

(3) Um zu bestimmen, ob ein Trust seinen Sitz in dem Mitgliedstaat hat, bei dessen Gerichten die Klage anhängig ist, wendet das Gericht sein Internationales Privatrecht an.

A. Wohnsitz juristischer Personen (Abs 1).

I. Begriff der Gesellschaften und juristischen Personen.

 

Rn 1

Für jede verklagbare (passiv parteifähige) Personenvereinigung (vgl auch § 50 II ZPO) oder Vermögensmasse muss im Anwendungsbereich der EuGVO ein Gerichtsstand eröffnet sein. Das daher weit zu verstehende Begriffspaar erfasst insb die BGB-Gesellschaft (Rauscher/Staudinger Rz 3). Abs 1 regelt allerdings nicht die Rechts- bzw Parteifähigkeit. Hierfür ist das Recht des angerufenen Gerichts einschließlich dessen Kollisionsrechts maßgeblich. Zu beachten ist freilich die Überlagerung des nationalen Kollisionsrechts durch die Wertungen der Niederlassungsfreiheit im Falle der europäisch-grenzüberschreitenden Sitzverlegung (›europarechtliche‹ Gründungs- statt Sitztheorie; näher dazu etwa MüKoZPO/Gottwald Art 60 Rz 6; Rauscher/Staudinger Rz 4).

II. Wohnsitz.

 

Rn 2

Der Wohnsitz von Gesellschaften und juristischen Personen wird im Gegensatz zur kollisionsrechtlichen Lösung des Art 62 für natürliche Personen autonom durch die EuGVO bestimmt. Die in Abs 1 lit a–c aufgeführten und an Art 54 AEU (ex-Art 48 I EG) angelehnten Anknüpfungspunkte sind alternativ zu verstehen; sie eröffnen dem Kl also ggf die Wahl unter mehreren Wohnsitzgerichtsständen. Daraus folgende positive Kompetenzkonflikte werden durch die Art 29 ff bewältigt. Der satzungsmäßige Sitz folgt aus dem Gesellschaftsvertrag. Mit dem Begriff der Hauptverwaltung ist der effektive Verwaltungssitz gemeint. Dieser ist dort zu sehen, wo die grundlegenden unternehmerischen Entscheidungen durch das Leitungsorgan getroffen werden, also idR am Sitz der Organe (BAG NZA-RR 10, 604, 606). Die Hauptniederlassung bezeichnet den tatsächlichen Geschäftsschwerpunkt (BAG NZA-RR 10, 604, 606 [BAG 24.09.2009 - 8 AZR 306/08]). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Feststellung des Wohnsitzes ist derjenige der Klageerhebung bzw der Antragstellung (HK-ZPO/Dörner Rz 5). Nicht mit dem Wohnsitz iSv Art 63 zu verwechseln ist schließlich der Sitz der Gesellschaft iSv Art 24 Nr 2, der sich nach dem IPR des Forums bemisst.

B. Sonderregeln (Abs 2, 3).

 

Rn 3

Die Sonderregel für Irland, Zypern und das Vereinigte Königreich in Abs 2 beruht darauf, dass dort die kontinentalen Rechtsvorstellungen entsprechende Figur des Sitzes nicht geläufig ist (eingehend hierzu etwa Kropholler/v Hein Art 60 Rz 3; Rauscher/Staudinger Art 60 Rz 5). Der trust stellt eine im common law entwickelte Figur einer nicht rechtsfähigen Vermögensmasse dar. Die Sonderregel hierfür in Abs 3 ist für Art 7 Nr 6 relevant. Maßgeblich ist das Kollisionsrecht des angerufenen Gerichts (näher dazu Kropholler/v Hein Art 60 Rz 4–7; Rauscher/Staudinger Art 60 Rz 6).

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