Zusammenfassung

 

Art. 41 Brüssel Ia-VO(1) Vorbehaltlich der Bestimmungen dieses Abschnitts gilt für das Verfahren zur Vollstreckung der in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen das Recht des ersuchten Mitgliedstaats. Eine in einem Mitgliedstaat ergangene Entscheidung, die im ersuchten Mitgliedstaat vollstreckbar ist, wird dort unter den gleichen Bedingungen vollstreckt wie eine im ersuchten Mitgliedstaat ergangene Entscheidung.

(2) Ungeachtet des Absatzes 1 gelten die im Recht des ersuchten Mitgliedstaats für die Verweigerung oder Aussetzung der Vollstreckung vorgesehenen Gründe, soweit sie nicht mit den in Artikel 45 aufgeführten Gründen unvereinbar sind.

(3) Von der Partei, die die Vollstreckung einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung beantragt, kann nicht verlangt werden, dass sie im ersuchten Mitgliedstaat über eine Postanschrift verfügt. Es kann von ihr auch nicht verlangt werden, dass sie im ersuchten Mitgliedstaat über einen bevollmächtigten Vertreter verfügt, es sei denn, ein solcher Vertreter ist ungeachtet der Staatsangehörigkeit oder des Wohnsitzes der Parteien vorgeschrieben.

A. Recht des Vollstreckungsverfahrens (Abs 1).

 

Rn 1

Abs 1 S 1 klärt für eine im ersuchten Staat (Art 2 lit e) nach Maßgabe des Art 39 vollstreckbare Entscheidung grundsätzlich die Frage des auf das Verfahren der Vollstreckung anwendbaren Rechts. Danach genießen alle verordnungsunmittelbaren Verfahrensvorgaben des 2. Abschnitts Anwendungsvorrang. Dysfunktional sind insoweit insbesondere die autonomen deutschen Vorgaben zur Vollstreckungsklausel (vgl folgerichtig § 1112 ZPO). Im Übrigen ist das Recht des ersuchten Mitgliedstaats maßgeblich. S 2 expliziert hierfür den Grundsatz der Nichtdiskriminierung von Entscheidungen aus anderen Mitgliedstaaten. Neben diesem Äquivalenzgrundsatz misst der EuGH (C-415/11, ECLI:EU:C:2013:164 Rz 50 – Aziz) den Vollzug von Unionsrechtsvorgaben durch nationales Prozessrecht ferner am Effektivitätsgrundsatz. Abs 2 enthält weitere Vorgaben für Gründe der Verweigerung oder Aussetzung der Vollstreckung im autonom-nationalen Vollstreckungsrecht.

B. Vollstreckungshemmnisse im Recht des ersuchten Staates (Abs 2).

 

Rn 2

Abs 2 gilt nur für die Vollstreckung, nicht für die Anerkennung (vgl auch Erwägungsgrund 30). Für erstere wird klargestellt, dass neben den Vorgaben aus Art 45 auch im autonom-nationalen Prozessrecht Gründe für die Verweigerung bzw Aussetzung der Vollstreckung vorgesehen werden können. Bereits aus dem Äquivalenzgrundsatz (Abs 1 S 2) ist dabei abzuleiten, dass keine Hemmnisse für die Vollstreckung von Titeln aus anderen Mitgliedstaaten aufgestellt werden dürfen, die nicht in vergleichbarer Weise auch für inländische Titel gelten. Nicht ganz unproblematisch ist insoweit etwa § 929 Abs 2 ZPO (vgl hierzu auch Wagner, EuZW 19, 37, 42). Zur Brüssel I-VO hat der EuGH (C-379/17 – ECLI:EU:C:2018:806 – Società Immobiliare Al Bosco Srl) den Rückgriff auf § 929 II ZPO zwar gebilligt, allerdings mit der Maßgabe einer Anknüpfung an die Vollstreckbarerklärung, welche die Brüssel Ia-VO nicht mehr vorsieht. Im Übrigen sind autonom-nationale Versagungsgründe insoweit nicht beachtlich, als sie sich mit den Versagungsgründen der VO tatbestandlich überschneiden (vgl v Hein RIW 13, 97, 110), weil ansonsten autonome Wertungen der VO ausgehebelt werden könnten.

 

Rn 3

Insofern folgt aus Abs 2 iVm Erwägungsgrund 30, dass die autonom-nationalen Einwendungen gegen die Vollstreckung bereits im Versagungsverfahren nach Art 46 ff selbst berücksichtigungsfähig sind (dafür HK-ZPO/Dörner Rz 7; Domej RabelsZ 78 [14], 508, 516; v Hein RIW 13, 97, 110; Pohl IPRax 13, 109, 114, Rauscher/Mankowski Rz 16; anderes hatte der EuGH [C-139/10 – Prism Investments] noch für das inzwischen abgeschaffte Vollstreckbarerklärungsverfahren geurteilt). Allerdings ist zu beachten, dass die Geltendmachung autonom-nationaler Versagungsgründe in Verfahren nach Art 46 ff mit Blick auf dessen Statthaftigkeit zunächst nur in Betracht kommt, soweit zumindest ein Versagungsgrund der VO geltend gemacht wird (vgl Erwägungsgrund 30; Domej RabelsZ 78 [14], 508, 516; Stürner DGVZ 16, 215, 224; aA HK-ZPO/Dörner, Art 46 Rz 2). Ferner wird teils aus dem Erfordernis eines ›Einklangs mit dem Rechtssystem im ersuchten Mitgliedstaat‹ im 30. Erwägungsgrund abgeleitet, dass es dem deutschen Gesetzgeber frei stehe, die Berücksichtigung insbesondere streitiger Einwendungen iSv § 767 ZPO aus dem Verfahren nach Art 46 IVm § 1115 ZPO herauszuhalten (so ThoPu/Hüßtege Art 46 Rz 5; keine solche Beschränkung erkennen hingegen etwa HK-ZPO/Dörner Rz 7; v Hein RIW 13, 97, 110; Pohl IPRax 13, 109, 114).

 

Rn 4

Unter der durchaus plausiblen Prämisse, dass Art 41 den Mitgliedstaaten anheimstellt, ob sie die Geltendmachung von nationalen Einwendungen einem besonderen Verfahren vorbehalten wollen (Rauscher/Mankowski Rz 32), stellt sich indessen die Frage, inwieweit der deutsche Gesetzgeber, der eine gesonderte Vollstreckungsabwehrklage vorgesehen hat (vgl § 1117 ZPO), hiermit die Geltendmachung von Einwendungen aus dem Verfahren nach Art 46 ausschließen wollte (in diesem Sinne für ...

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