Gesetzestext

 

(1) Das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen wird schriftlich durchgeführt.

(1a) Das Gericht hält eine mündliche Verhandlung ab, wenn es der Auffassung ist, dass es auf der Grundlage der schriftlichen Beweismittel kein Urteil fällen kann, oder wenn eine der Parteien einen entsprechenden Antrag stellt. Das Gericht kann einen solchen Antrag ablehnen, wenn es der Auffassung ist, dass in Anbetracht der Umstände des Falles ein faires Verfahren auch ohne mündliche Verhandlung sichergestellt werden kann. Die Ablehnung ist schriftlich zu begründen. Gegen die Abweisung des Antrags ist ohne Anfechtung des Urteils selbst kein gesondertes Rechtsmittel zulässig.

(2) Nach Eingang des ordnungsgemäß ausgefüllten Klageformblatts füllt das Gericht Teil I des in Anhang III vorgegebenen Standardantwortformblatts C aus.

Es stellt dem Beklagten gemäß Artikel 13 eine Kopie des Klageformblatts und gegebenenfalls der Beweisunterlagen zusammen mit dem entsprechend ausgefüllten Antwortformblatt zu. Diese Unterlagen sind innerhalb von 14 Tagen nach Eingang des ordnungsgemäß ausgefüllten Klageformblatts abzusenden.

(3) Der Beklagte hat innerhalb von 30 Tagen nach Zustellung des Klageformblatts und des Antwortformblatts zu antworten, indem er Teil II des Formblatts C ausfüllt und es gegebenenfalls mit als Beweismittel geeigneten Unterlagen an das Gericht zurücksendet oder indem er auf andere geeignete Weise ohne Verwendung des Antwortformblatts antwortet.

(4) Innerhalb von 14 Tagen nach Eingang der Antwort des Beklagten ist eine Kopie der Antwort gegebenenfalls zusammen mit etwaigen als Beweismittel geeigneten Unterlagen an den Kläger abzusenden.

(5) Macht der Beklagte in seiner Antwort geltend, dass der Wert einer nicht lediglich auf eine Geldzahlung gerichteten Klage die in Artikel 2 Absatz 1 festgesetzten Wertgrenze übersteigt, so entscheidet das Gericht innerhalb von 30 Tagen nach Absendung der Antwort an den Kläger, ob die Forderung in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fällt. Gegen diese Entscheidung ist ein gesondertes Rechtsmittel nicht zulässig.

(6) Etwaige Widerklagen, die mittels Formblatt A zu erheben sind, sowie etwaige Beweisunterlagen werden dem Kläger gemäß Artikel 13 zugestellt. Die Unterlagen sind innerhalb von 14 Tagen nach deren Eingang bei Gericht abzusenden.

Der Kläger hat auf eine etwaige Widerklage innerhalb von 30 Tagen nach Zustellung zu antworten.

(7) Überschreitet die Widerklage die in Artikel 2 Absatz 1 festgesetzte Wertgrenze, so werden die Klage und die Widerklage nicht nach dem europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen, sondern nach Maßgabe des Verfahrensrechts des Mitgliedstaats, in dem das Verfahren durchgeführt wird, behandelt.

Artikel 2 und Artikel 4 sowie die Absätze 3, 4 und 5 des vorliegenden Artikels gelten entsprechend für Widerklagen.

 

Rn 1

Grundsätzlich soll das Small-Claims-Verfahren aus Effizienzgründen schriftlich geführt werden (Abs 1), wenn der Richter nicht eine mündliche Verhandlung für erforderlich hält. Das muss auch für das Berufungsverfahren gelten (LG Frankfurt NZV 19, 368 [LG Frankfurt am Main 21.02.2019 - 2-24 S 195/18] Rz 8).

 

Rn 1a

Ob die Regelungen in Abs 1 und 1a mit dem in Art 6 EMRK und Art 47 II EUGRCh verbürgten Grundsatz der Öffentlichkeit zu vereinbaren ist, wird teilweise bezweifelt (s nur MüKoZPO/Hau Rz 2 mwN). Die Vorschrift sollte in Anlehnung an § 495a S 2 deshalb so ausgelegt werden, dass – von Missbrauchsfällen abgesehen – eine mündliche Verhandlung mindestens immer dann stattfindet, wenn mindestens eine der Parteien dies verlangt.

 

Rn 2

Für die Stellungnahme des Beklagten kann das in Abs 2 genannte Formblatt C verwendet werden, es kann aber auch ein frei gestalteter Schriftsatz eingereicht werden (Abs 3). Letzteres ist empfehlenswert, weil das Formblatt C zB auf die Beweislastverteilung keinerlei Rücksicht nimmt und den falschen Anschein erweckt, als müsse der Beklagte jegliches Bestreiten der Forderung auch beweisen. Es kann und sollte die Erstattung der Verfahrenskosten beantragt werden (Ziff 4 des Formblatts C).

 

Rn 2a

Maßgeblich für die Einhaltung der Frist in Abs 3 ist ist der Eingang der Klageerwiderung bei Gericht, wie sich aus Art 7 III sowie aus einem Vergleich mit Art 18 EuMahnVO ergibt (Musielak/Voit/Voit Rz 19 vor §§ 1097 ff; MüKoZPO/Hau Rz 7). Die Frist kann gem Art 14 II verlängert werden.

 

Rn 3

Äußert sich der Beklagte nicht innerhalb der Frist des Abs 3, so entscheidet das Gericht nach Lage der Akten (Art 7 III); eine Säumnisentscheidung kennt das Verfahren nach der EuGFVO nicht.

 

Rn 4

Eine Widerklage ist zulässig, soweit ihr Streitgegenstand in den Anwendungsbereich der EuGFVO fällt und denselben Sachverhalt betrifft (s Erw 16), anderenfalls ist sie unzulässig (Abs 7 S 2; vgl § 1099 I). Das Verfahren wird gem Abs 7 als Small-Claims-Verfahren fortgesetzt, wenn auch der Streitwert der Widerklage die Wertgrenze nicht überschreitet (Abs 7); bei einer höherwertigen Widerklage wird das Verfahren als ordentlicher Zivilprozess nach le...

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