Leitsatz

Vermerke eines Versammlungsleiters in der Niederschrift (hier: "Mangels erforderlicher Einstimmigkeit sei kein Beschluss zustande gekommen") haben grundsätzlich keine ausschlaggebende Bedeutung

 

Normenkette

§ 23 Abs. 4 WEG

 

Kommentar

1. Weist ein Versammlungsprotokoll formal einen Eigentümerbeschluss aus, ist durch Auslegung nach objektiven Maßstäben nicht nur zu ermitteln, welchen Inhalt der Beschluss hat, sondern auch, ob überhaupt im Zweifelsfall von einem Eigentümerbeschluss auszugehen ist. Dabei können Begleitumstände herangezogen werden, die im Protokoll zum Ausdruck gebracht wurden. Diese Grundsätze gelten jedenfalls dann, wenn ein Eigentümerbeschluss formal Bestandskraft erlangt hat, also nicht angefochten wurde. Ein Nichtbeschluss liegt abgesehen von dem Fall, dass nicht mehr Wohnungseigentümer für einen Antrag als dagegen gestimmt haben, auch dann vor, wenn den Wohnungseigentümern bei einer Abstimmung bewusst war, dass Stimmenmehrheit nicht ausreicht und das Protokoll keine Zweifel an der Ablehnung des Antrags offen lässt (h.M., u.a. BayObLG, WM 1997, 344 m.w.N.).

Für die Frage, ob ein Beschluss oder ein Nichtbeschluss vorliegt, kommt der Feststellung des Verwalters dazu in der Versammlungsniederschrift keine ausschlaggebende Bedeutung zu (ebenfalls h.R.M.). Nach diesen Grundsätzen, die der Senat zuletzt im Beschluss v. 18.5.1998 ( BayObLG, Beschluss v. 18. 5. 1998, Az.: 2Z BR 51/98) bestätigt hat, war in vorliegendem Fall vom LG die Erstbeschwerde im Ergebnis zu Recht für im Wesentlichen unbegründet erachtet worden.

Nach objektiver Auslegung anhand des Protokolls ergab sich vorliegend, dass eine Mehrheit für den Antrag (hier: "Verlegung einer Zuwegung ... entsprechend Gartenaufteilungsplan ..., da der Weg über das zur Wohnung ... gehörende Sondernutzungsrecht führe") gestimmt hatte. Damit war grundsätzlich von einem Eigentümerbeschluss auszugehen. Der anschließende Vermerk des Versammlungsleiters in der Niederschrift, ein Beschluss sei mangels Einstimmigkeit nicht zustande gekommen (bauliche Veränderung nach § 22 WEG), ist demgegenüber ohne ausschlaggebende Bedeutung. Aus dem Protokoll ergibt sich vorliegend auch kein Anhaltspunkt dafür, dass die Wohnungseigentümer bei der Abstimmung übereinstimmend davon ausgingen, der Beschluss setze die Zustimmung aller, also nicht nur der in der Versammlung erschienenen oder vertretenen Eigentümer voraus. Im Übrigen hätte eine solche Allstimmigkeit von vorneherein gar nicht erreicht werden können, weil in der betreffenden Versammlung nicht alle Eigentümer anwesend oder vertreten waren.

2. Auch außergerichtliche Kostenerstattung im Rechtsbeschwerdeverfahren bei Geschäftswert dieser Instanz von DM 15.000,-.

 

Link zur Entscheidung

( BayObLG, Beschluss vom 10.06.1998, 2Z BR 67/98)

zu Gruppe 4: Wohnungseigentumsverwaltung

Anmerkung:

Dieses Entscheidungsergebnis entspricht auch der diesseits stets vertretenen Auffassung. Eine solche oder ähnliche rechtliche Fehlwertung eines Versammlungsleiters wird leider im Anschluss an Stimmenauszählungen recht häufig vorgenommen und dann auch noch protokolliert. Oft handelt es sich hier tatsächlich um einfache Mehrheitsbeschlüsse (mehr Ja- als Nein-Stimmen), die - wenn überhaupt - als (nur) Mehrheitsbeschlüsse verkündet und protokolliert werden dürften. Gerade bei Gestattungsbeschlüssen zu baulichen Veränderungen, bei beschlossenen Änderungen einer Gemeinschaftsordnung-Vereinbarung (häufig zu Kostenverteilungsfragen seit 1999 insoweit jedoch von h.Lit.M. bestritten!) und zuletzt auch bei Nutzungsänderungsgenehmigungen kann (und sollte m.E. auch) in solchen Fällen ein Versammlungsleiter vor Abstimmung allein darauf hinweisen, dass seiner Rechtsmeinung nach ggf. von allstimmiger Zustimmung (und entsprechendem Beschlussanfechtungsrisiko eines nur mehrheitlich zustande kommenden Beschlusses) auszugehen wäre. Unabhängig von dieser Hinweispflicht auf mögliche Zitterbeschlussfassung hat der Versammlungsleiter jedoch allein das (rechnerische) Auszählungs- und Abstimmungsergebnis zu verkünden (bekannt zu geben), selbst wenn besondere Mehrheiten oder gar Allstimmigkeiten nicht erreicht werden oder in der betreffenden Versammlung gar nicht erreicht werden können. Eine eigene rechtliche Wertung des Abstimmungsergebnisses im Sinne der Verkündung einer beschlussweisen Antragsannahme oder Antragsablehnung ist vom protokollierenden Versammlungsleiter nach h.R.M. nicht einmal gefordert, wenn auch solche Ergebnisverkündungen mitunter im Eigentümerkreis erwünscht oder gar praxisüblich sind. Handelt es sich insoweit um eine "Falsch-Wertung", die obendrein im Anschluss an eine Abstimmung protokolliert wird, führt gerade diese Fehlmeinung nicht selten zu absolut unnötigen gerichtlichen Feststellungs-Antragsverfahren und zur Unsicherheit im Eigentümerkreis, ob nun (nur) ein Mehrheitsbeschluss zustande gekommen ist oder von einem abgelehnten Antrag (Nichtbeschluss) auszugehen war. Hat ein Versammlungsleiter vor Abstimmung zu einem bestimmten Punkt auf da...

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