Rz. 102

Ist weder der Anspruchsteller noch der Anspruchsgegner alleinschuldig an der Zerrüttung der Ehe, so kann der Anspruchsteller Unterhalt verlangen, wenn er bedürftig und der Anspruchsgegner leistungsfähig ist (Art. 60 § 1 FVGB).

 

Rz. 103

Bedürftig ist, wer seine elementaren Bedürfnisse aus eigenen Kräften und Mitteln nicht befriedigen kann. Die elementaren Bedürfnisse orientieren sich nicht an dem Lebensstandard des Verpflichteten; der Bedarf richtet sich nur nach den Erwerbsmöglichkeiten des bedürftigen Ehegatten. Der Unterhaltsberechtigte kann einen Anspruch nur stellen, wenn er die elementaren Bedürfnisse nicht aus seinem eigenen Einkommen und Vermögen befriedigen kann. Er muss daher alle Einkünfte einsetzen, die er unter zumutbarem Einsatz seiner Kräfte, Ausbildung und anderer Fähigkeiten erzielen kann. Auch zivilrechtliche und sozialversicherungsrechtliche Renten, Stipendien und dgl. sind einzusetzen, ebenso Einkünfte aus Vermögen wie Zinseinkünfte und hypothetisch erzielbare Einkünfte. Keine einsetzungspflichtigen Einkünfte sind solche Zuwendungen, die nicht aufgrund einer Unterhaltspflicht oder einer sonstigen Rechtspflicht gemacht werden (freiwillige Zuwendungen).

 

Rz. 104

Der Unterhaltsanspruch setzt weiter voraus, dass der Verpflichtete leistungsfähig, d.h. in der Lage ist, aus eigenem Einkommen und Vermögen dem anderen Mittel zur Verfügung zu stellen. Das polnische Recht kennt keine festen Selbstbehaltsätze; vielmehr ist in jedem Einzelfall zu entscheiden, in welchem Umfang der Unterhaltsverpflichtete auch geringe Einkünfte mit dem Unterhaltsberechtigten zu teilen hat.[95] Nach Auffassung des Obersten Gerichts besteht ein Unterhaltsanspruch wegen mangelnder Leistungsfähigkeit nur dann nicht, wenn der Unterhaltsverpflichtete über keine finanziellen Mittel verfügt. Daraus wird geschlossen, dass es zugunsten des Verpflichteten keine Grenze des Selbstbehalts gibt, die nicht unterschritten werden darf. Nach Art. 14 des Haager Unterhaltsprotokolls 2007 sind bei der Bemessung des Unterhaltsbetrages auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unterhaltsverpflichteten zu berücksichtigen, selbst wenn das anzuwendende Recht etwas anderes bestimmt. Lebt der Unterhaltsverpflichtete in Deutschland, so können daher die in den Leitlinien der Oberlandesgerichte festgelegten Selbstbehaltsätze angewendet werden.[96]

[96] OLG Stuttgart vom 14.2.2006 – 17 UF 247/05 für den Fall des Kindesunterhalts nach Art. 135 § 1 FVGB.

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