Leitsatz

Die Einführung der Gewerbesteuererhebungspflicht nach Mindesthebesätzen ab dem Erhebungsjahr 2004 ist nicht offensichtlich verfassungswidrig. Bestehende Zweifel rechtfertigen keine einstweilige Anordnung gegen die Neuregelung.

 

Sachverhalt

Nach § 16 Abs. 4 Satz 2 GewStG sind Gemeinden erstmals für das Erhebungsjahr 2004 verpflichtet, die Gewerbesteuer nach einem Mindesthebesatz von 200 % zu erheben. Zuvor konnten sie, da eine Untergrenze des Hebesatzes nicht geregelt war, durch die Festsetzung des Hebesatzes auf Null von der Steuererhebung absehen. Diese Möglichkeit nahmen im Erhebungsjahr 2003 vier Gemeinden wahr, darunter die Beschwerdeführerin, die so einen Anreiz zur Ansiedlung von Gewerbebetrieben schaffen wollte. In der Folge siedelten sich mehr als 30 Unternehmen an. Dies führte im Jahr 2004 zu Mehreinnahmen der Beschwerdeführerin von 150000 EUR. Das BVerfG lehnte den Erlass einer einstweiligen Anordnung ab.

 

Entscheidung

Der Ausgang der Verfassungsbeschwerde selbst ist nach Meinung des Senats offen. Die Frage, ob sich die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Gewerbesteuer auch auf die Anordnung einer Untergrenze des Hebesatzes und damit auf den Zwang zur Erhebung der Gewerbesteuer erstreckt, ist nicht geklärt und bedarf näherer Untersuchung im Hauptsacheverfahren. Insbesondere ist zu prüfen, ob das Recht auf Selbstverwaltung[1] die Befugnis umfasst, ohne gesetzliche Vorgaben allein entscheiden zu können, ob Gewerbesteuer überhaupt erhoben werden soll. Dies rechtfertigt eine einstweilige Anordnung mit dem Ziel, den Vollzug des GewStG bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens auszusetzen, aber nicht.

Bei Nichterlass einer vorläufigen Regelung und einem späteren Erfolg der Verfassungsbeschwerde würde die Pflicht, Gewerbesteuer zu erheben, zunächst bis zur Hauptsachentscheidung weiter gelten. Gewerbebetriebe könnten sich veranlasst sehen, ihr Gewerbe an attraktivere Standorte zu verlagern. Dadurch könnte den betroffenen Gemeinden ein bleibender Schaden entstehen, wenn die Gewerbebetriebe nicht später wieder zurückkehren. Darüber hinaus müssten Gemeinden, die bislang auf die Erhebung der Gewerbesteuer verzichtet haben, mit der Steuererhebung beginnen. Der dafür erforderliche Einsatz von Verwaltungskraft würde schon nach kurzer Zeit wieder entbehrlich, wenn nach einer Nichtigerklärung des Gesetzes künftig wiederum keine Steuer zu erheben wäre. Diese Nachteile können aber auch durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht ausgeglichen werden. Insbesondere die betroffenen Unternehmer können ihre Planungsentscheidungen nicht an der Erwartung ausrichten, die Steuer werde nicht zu zahlen sein. Denn diese Sicherheit kann erst eine die Nichtigkeit der angegriffenen Regelung aussprechende Hauptsacheentscheidung herbeiführen.

Bei Erlass einer einstweiligen Anordnung und späterer Erfolglosigkeit der Verfassungsbeschwerde könnte Gewerbesteuer zunächst nicht erhoben werden. Bund und Länder müssten auf kurzfristig eintretende Einnahmeverbesserungen in Form einer höheren Gewerbesteuerumlage verzichten. Darin läge ein aktueller und spürbarer Nachteil für deren Haushalte. Zudem würde das Anliegen des Gesetzgebers, das Ausweichen von Steuerpflichtigen in Gemeinden mit niedriger oder fehlender Gewerbesteuer zu verhindern, durch einen Aufschub der Anwendung des Gesetzes jedenfalls vorübergehend entwertet.

Die mit der Ablehnung der einstweiligen Anordnung verbundenen Nachteile überwiegen die mit dem Erlass einer einstweiligen Anordnung verbundenen Nachteile nach alledem nicht so deutlich, dass sie den Eingriff in vom Parlament gesetztes Recht unabdingbar erscheinen lassen.

 

Link zur Entscheidung

BVerfG-Beschluss vom 25.1.2005, 2 BvR 2185/04

[1] Die kommunale Finanzhoheit, vgl. Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG

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