Entscheidungsstichwort (Thema)

Darlegungs- und Beweislast für anderweitige Ersatzmöglichkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Darlegungs- und Beweislast für eine im Notarhaftungsprozess geltend gemachte anderweitige Ersatzmöglichkeit in Form eines Schadensersatzanspruchs gegen einen Steuerberater, liegt grundsätzlich beim Kläger.

2. Wird eine solche anderweitige Ersatzmöglichkeit damit begründet, dass der Steuerberater einen Antrag auf Billigkeitskorrektur gemäß § 163 AO versäumt haben soll, so trifft aber den Beklagten zunächst eine Pflicht zum substantiierten Bestreiten, in deren Rahmen er darlegen muss, warum eine Billigkeitsentscheidung zugunsten des Klägers hätte ergehen müssen.

 

Normenkette

BNotO § 19 Abs. 1; BGB § 181; AO § 163; ZPO §§ 282, 286

 

Verfahrensgang

LG Frankenthal (Pfalz) (Aktenzeichen 5 O 1799/95)

 

Tenor

I. Die Berufung des Beklagten gegen das Grundurteil der 5. Zivilkammer des LG Frankenthal (Pfalz) vom 9.10.1996 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Folgendes festgestellt wird:

1. Der Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin denjenigen Steuerschaden zu ersetzen, der ihr dadurch entstehen wird, dass die Schadensersatzzahlung des Beklagten gemäß Ziffer 1 seines Schriftsatzes vom 20.3.2000 (Bl. 201 d.A.) bei ihr als Betriebseinnahme eine entsprechende Körperschaftsteuerschuld auslöst.

2. Der Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin denjenigen Schaden zu ersetzen, der ihr dadurch entsteht, dass sie bis zur Tilgung ihrer Steuerschulden der Jahre 1992 und 1993 – Gewerbesteuer, Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag – Stundungszinsen darauf zu zahlen hat.

3. Der Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin denjenigen Schaden des Jahres 1994 – Gewerbesteuer und Körperschaftssteuer – für den Zeitraum vom 1.1. bis 29.4. zu ersetzen, der ihr dadurch entstehen wird, dass die Gehaltszahlungen an den Geschäftsführer Tim G. für diesen Zeitraum nicht als Betriebsausgaben anerkannt werden, soweit dieser Schaden nicht infolge Körperschaftsteueranrechnung gegenüber dem Geschäftsführer der Klägerin kompensiert wird.

II. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 16.000 DM abwenden, wenn die Klägerin nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheitsleistung kann auch durch selbstschuldnerische, unwiderrufliche, unbefristete und schriftliche Bürgschaft eines als Zoll- oder Steuerbürge zugelassenen inländischen Kreditinstituts erbracht werden.

IV. Die Beschwer des Beklagten wird auf 163.161,69 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Klägerin nimmt den beklagten Notar auf Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung in Anspruch.

Der beklagte Notar beurkundete am 20.12.1991 (UR-Nr. G.) die Abtretung aller Gesellschaftsanteile der Klägerin von den damaligen Gesellschaftern Manfred und Eva G. auf ihren Sohn Tim G. Im Rahmen einer sich sofort anschließenden Gesellschafterversammlung wurde von Tim G., dem nunmehr alleinigen Gesellschafter, beschlossen und vom Beklagten beurkundet:

1. Frau Eva G. wird als Geschäftsführer abberufen. Ihr wird für die bisherigen Tätigkeit Entlastung erteilt.

2. Herr Tim G. wird zum Geschäftsführer neu bestellt. Er ist alleinvertretungsberechtigt und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit.

3. Weitere Beschlüsse wurden heute nicht gefasst.

Der ebenfalls von dem Beklagten beurkundete Gesellschaftervertrag der Klägerin vom 14.1.1985 (Ur.-Nr. …) hatte in seinem § 5 ausdrücklich bestimmt, die Geschäftsführer seien von den Beschränkungen des § 181 BGB nicht befreit.

Auf den Eintragungsantrag des Beklagten vom 20.12.1991 wies das AG Ludwigshafen mit Zwischenverfügung vom 22.1.1992 den Beklagten darauf hin, dass vor Eintragung einer Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB in das Handelsregister eine entsprechende Satzungsänderung vorgenommen werden müsse. Für die Erledigung wurde dem Beklagten eine Frist von 2 Monaten eingeräumt. Am 3.2.1992 nahm der Beklagte gegenüber dem Handelsregister den Eintragungsantrag im Namen der Klägerin zurück.

Zwischenzeitlich hatte die Klägerin, vertreten durch den Geschäftsführer Tim G., am 2.1.1992 mit Herrn Tim G. einen Anstellungsvertrag geschlossen. Das an den Geschäftsführer der Klägerin in den Jahren 1992 und 1993 aufgrund dieses Vertrages gezahlte Gehalt zuzüglich Tantiemen fand steuerlich keine gewinnmindernde Berücksichtigung, weil das Finanzamt S. den Anstellungsvertrag wegen Verstoßes gegen § 181 BGB als unwirksam ansah mit der Folge, dass das Gehalt als verdeckte Gewinnausschüttung an den Gesellschafter zu werten sei und der weiteren Folge, dass hieraus Körperschaftssteuer zu zahlen war.

Die Klägerin hat vorgetragen, durch die steuerliche Nichtberücksichtigung des Geschäftsführergehaltes sei ihr für die Jahre 1992 und 1993 ein steuerlicher Schaden in Höhe von 93.189,49 DM entstanden. Außerdem habe sie Steuerberatungskosten in Höhe von 17.972,20 DM aufwenden müssen. Da der Gesellschaftsvertrag erst im Mai 1994 habe geändert werd...

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