Leitsatz (amtlich)

1. Zu den Voraussetzungen einer Überschuldung im Sinne des § 19 Abs. 2 InsO sowie zu der den nach § 64 Satz 1 (in der bis zum 31. Dezember 2021 geltenden Fassung) in Anspruch genommenen Geschäftsführer insoweit treffenden Darlegungs- und Beweislast.

2. Bei einer Wandeldarlehensvereinbarung mit einer GmbH, in der für bestimmte Fälle eine verbindliche Wandlungsverpflichtung zu Lasten des Darlehensgebers nach einem festgelegten Schlüssel vorgesehen ist, bedarf die Unterschrift des Übernehmers jedenfalls dann der notariellen Beglaubigung gemäß § 55 Abs. 1 GmbHG, sofern es sich bei ihm um eine gesellschaftsfremde Person handelt.

3. Sieht eine Wandeldarlehensvereinbarung mit einseitiger Wandlungsoption für den Darlehensnehmer im Fall der Ausübung des Wandlungsrechtes eine für die Gesellschaft verbindliche satzungsändernde Kapitalerhöhung vor, spricht vieles für eine Pflicht zur notariellen Beurkundung des zu Grunde liegenden Gesellschafterbeschlusses nach § 53 Abs. 2 GmbHG.

 

Normenkette

GmbHG § 53 Abs. 2, § 55 Abs. 1, § 64 S. 1; InsO § 19 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Frankenthal (Pfalz) (Urteil vom 26.02.2019; Aktenzeichen 7 O 22/18)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 25.04.2023; Aktenzeichen II ZR 96/22)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 26.02.2019, Az. 7 O 22/18, abgeändert wie folgt:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 58.398,35 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 09.02.2018 zu zahlen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des für den Kläger insgesamt aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um Ansprüche aus Geschäftsführerhaftung wegen verspäteter Insolvenzantragstellung.

Der Beklagte war (zuletzt seit 2014) Geschäftsführer der K. GmbH mit Sitz in N. Geschäftsgegenstand der Gesellschaft war die Produktion und der Vertrieb von Damenmoden, insbesondere Handtaschen und Schuhen im gehobenen Preissegment. Mehrheitsgesellschafterin der GmbH war eine Frau L.. Die Gesellschaft hatte ihre Tätigkeit im Anschluss an ihre Gründung im Jahr 2007 aufgenommen.

Ende des Jahres 2015 belief sich der Guthabenstand auf dem Geschäftskonto der Gesellschaft bei der Commerzbank auf ca. 47.000,00 EUR. Dieser verringerte sich bis 31.03.2016 auf 1.887,58 EUR und bis in den Juni 2016 weiter auf ca. 100,00 EUR.

Die Umsatzerlöse der Gesellschaft beliefen sich im Jahr 2013 auf 5.300,00 EUR, im Jahr 2014 auf 2.349,75 EUR und im Jahr 2015 auf 0,00 EUR.

Die Jahresabschlüsse wiesen des Weiteren folgende Kennzahlen aus:

Jahr

Umsatz

Jahresüberschuss/

Jahresfehlbetrag

Eigenkapital

2013

5.300,00 EUR

- 27.228,01 EUR

- 199.798,33 EUR

2014

2.349,75 EUR

- 21.047,30 EUR

- 220.845,63 EUR

2015

0.- EUR

- 222.672,57 EUR

- 443.518,20 EUR

Die Gesellschaft schloss unter dem 03.07.2015 mit einer S. GmbH einen Vertrag über die Gewährung eines Darlehens in Höhe von 25.000,00 EUR. In § 4 des Darlehensvertrags war dabei vereinbart, dass das Darlehen am 05.07.2020 zurückgezahlt werden sollte. Nach § 5 konnte die Darlehensgeberin das Darlehen erstmals nach sechs Monaten mit einer Frist von drei Monaten kündigen, wenn sich die Vermögensverhältnisse des Darlehensnehmers zu verschlechtern drohten und hierdurch die Darlehensrückführung gefährdet werde. Das Fälligkeitsdatum sollte sich dadurch aber nicht ändern. Weiterhin sollte das Recht zu einer Kündigung aus wichtigem Grund unberührt bleiben. Wegen der Einzelheiten wird auf den Darlehensvertrag vom 03.07.2020 (K7 - Bl. 83 ff. d.A.) Bezug genommen.

Ende Juli 2015 schloss die Gesellschaft darüber hinaus zwei im Wesentlichen gleichlautende, privatschriftliche Wandeldarlehensverträge über jeweils 100.000,00 EUR ab, und zwar einerseits mit einer Frau B., welche mit notariellem Vertrag vom 23. Juli 2022 (B13, Bl. 322 ff. d.A.) Anteile der K. GmbH erwarb und abgetreten erhielt, andererseits mit einer B. AG (Aktiengesellschaft nach Schweizer Recht).

Unter dem Abschnitt "Vorbemerkung" enthielten die Darlehensverträge u.a. folgende Passage:

"iv. Die Gewährung des Wandeldarlehens soll dazu dienen, den Kapitalbedarf der Gesellschaft zum Ausbau und zur Erweiterung der Geschäftstätigkeit zu decken."

Des Weiteren war in den Verträgen unter Ziffer 5.1. eine Wandlungsverpflichtung für den Fall einer Kapitalerhöhung mit Mittelzufluss in Höhe von mindestens einer Million Euro und unter Ziffer 5.2 bis zum Ablauf der vereinbarten Darlehenslaufzeit am 31.12.2018 ein jederzeitiges Wandlungsrecht der Darlehensgeber geregelt.

In Ziffer 6 unter der Überschrift "Rangrücktritt, Gleichrang" enthielten die Verträge die folgende Regelung:

"6.1 Zur Beseitigung einer insolvenzrechtlichen Überschuldungslage, Zahlungsunfäh...

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