Entscheidungsstichwort (Thema)

Scheidung einer libanesischen Ehe

 

Leitsatz (amtlich)

Ehescheidung libanesischer Staatsangehöriger islamisch-schiitischen Glaubens in ersatzweiser Anwendung deutschen Rechts aufgrund ordre public.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 2; EGBGB Art. 6, 14; EGBGB Art. Abs. 1 Nr. 1, 17 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Ludwigshafen (Aktenzeichen 5d F 290/99)

 

Tenor

1. Die Berufung des Antragsgegners gegen das Urteil des AG – FamG – Ludwigshafen am Rhein vom 3.3.2000 wird zurückgewiesen.

2. Der Antragsgegner hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

 

Tatbestand

Die Parteien sind libanesische Staatsangehörige; sie gehören der muslimischen Glaubensgemeinschaft der Schiiten an. Sie haben am 13.9.1982 im Libanon die Ehe geschlossen und leben beide seit über 10 Jahren in Deutschland. Die Anträge beider Parteien auf Anerkennung als Asylberechtigte wurden mit Entscheidung des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 20.9.1989 abgelehnt; der Aufenthalt der Antragstellerin, die die vier gemeinsamen minderjährigen Kinder betreut, beruht auf einer derzeit bis zum 17.3.2002 gültigen Aufenthaltsbefugnis. Der Antragsgegner befindet sich seit 17.12.1996 in Strafhaft.

Die Antragstellerin begehrt die Ehescheidung. Sie hält die Ehe für gescheitert und will die eheliche Lebensgemeinschaft mit dem Antragsgegner nicht mehr aufnehmen, da dieser während der gesamten Ehezeit bis zu seiner Inhaftierung sexuelle Beziehungen zu einer Vielzahl anderer Frauen unterhalten habe. In einem Fall habe er eine Frau sogar mit in die Ehewohnung gebracht und dort sexuell mit dieser verkehrt. Sie habe er dieser Frau ggü. als seine Schwester ausgegeben, die gemeinsamen Kinder als Nichten und Neffen. Sie habe damals die Frau auf Geheiß des Antragsgegners auch verköstigen müssen. Durch dieses Verhalten des Antragsgegners sowie durch dessen völlig unbegründete Vorwürfe und Beschimpfungen in einem Schreiben, das er ihr im Oktober 2000 aus der Strafhaft geschickt und in dem er ihr Verhältnisse mit anderen Männern vorgeworfen und sie als „Hure”, „Schlampe” und „Nutte” bezeichnet habe, sei sie in ihrer Ehre als Frau zutiefst verletzt.

Der Antragsgegner ist dem Ehescheidungsantrag zunächst entgegengetreten. Er bestreitet die Vorwürfe, die die Antragstellerin gegen ihn erhoben hat; er habe vor seiner Inhaftierung während der Ehe mit der Antragstellerin keine sexuellen Beziehungen zu anderen Frauen unterhalten. Es habe vor seiner Inhaftierung auch nie Eheprobleme gegeben, weshalb er die eheliche Gemeinschaft auch nach seiner Freilassung aus der Strafhaft weiterführen wolle. Im Rahmen seiner im Wege der Rechtshilfe durch das AG Diez/Lahn durchgeführten Anhörung hat er am 14.11.2000 – über einen Dolmetscher – erklärt, auch er wolle nunmehr geschieden werden, allerdings nicht nach deutschem, sondern nach schiitischem Recht. Den Brief an seine Frau habe er aus Wut geschrieben. Seine Frau sei nach seiner Ansicht „nicht ganz dicht”.

Das AG hat die Ehe der Parteien in der vom Antragsgegner mit der Berufung bekämpften Entscheidung auf der Grundlage des Art. 337 des Gesetzes vom 16.7.1962, in dem das Recht der muslimischen Glaubensgemeinschaft in Libanon geregelt ist, geschieden.

Der Antragsgegner hat seinen Antrag auf Abänderung des Urteils des FamG und Zurückweisung des Ehescheidungsantrags (trotz seiner Erklärung im Rahmen der Anhörung vom 14.11.2000) auch in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 26.10.2001 aufrecht erhalten.

Die Antragstellerin begehrt nach wie vor die Ehescheidung aus den von ihr dargelegten Gründen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist verfahrensrechtlich bedenkenfrei, bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg.

Das Erstgericht hat dem Scheidungsbegehren der Antragstellerin i.E. zu Recht stattgegeben. Die Scheidung der Ehe war, da das primär anzuwendende islamische Recht der Antragstellerin ein Recht auf Ehescheidung aus den von ihr angeführten Gründen versagt, während es dem Ehemann einen einseitigen Ausspruch der Scheidung durch Verstoßung (Talaq) gestattet, ordre public-widrig ist, in ersatzweiser Anwendung deutschen Rechts auszusprechen, da die Parteien seit mehr als einem Jahr getrennt leben und ihre Ehe gescheitert ist (§ 1565 Abs. 1 BGB).

I. Zum Ausspruch der Ehescheidung sind deutsche Gerichte berufen, da beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben (§ 606a Abs. 1 Nr. 2 ZPO). Die örtliche Zuständigkeit des AG Ludwigshafen am Rhein und daraus folgend des Pfälzischen OLG für das Berufungsverfahren ergibt sich aus § 606 Abs. 2 S. 1 ZPO; die sachliche Zuständigkeit des FamG beruht auf § 23a Nr. 4 GVG.

II. Dem Erstgericht ist darin zuzustimmen, dass auf die Scheidung der Ehe der Parteien primär libanesisches Sachrecht anzuwenden ist, da beide Parteien diesem Staat zum Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages (und auch seither) angehören (Art. 17 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB).

Im Libanon gibt es kein einheitliches Familienrecht. Art. 9 der libanesischen...

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