Leitsatz (amtlich)

1. Zum Scheidungsgrund der Unterhaltsverweigerung für die Frau nach iranischem Recht bei Unterhaltsunwilligkeit bzw -fähigkeit des Mannes.

2. Zur ersatzweisen Anwendung des deutschen Scheidungsrechts für den Fall, dass der Scheidungsantrag der iranischen Ehefrau aufgrund der die Frau nicht gleich behandelnden Regelungen des iran. ZGB unbegründet wäre.

3. Zuständigkeit der deutschen Gerichte bei Maßgeblichkeit des gemeinsamen Heimatrechts für die Scheidung anstelle des nach Heimatrecht vorgesehenen religiösen Gerichts.

 

Verfahrensgang

AG Böblingen (Urteil vom 13.05.2003; Aktenzeichen 15 F 285/03)

 

Tenor

I. Das Gesuch des Antragsgegners um Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren wird abgelehnt.

II. Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Berufung des Antragsgegners vom 10.6.2003 gegen das Urteil des AG Böblingen – FamG – vom 13.5.2003 nach § 522 Abs. 2 Nr. 1–3 ZPO zurückzuweisen.

Der Antragsgegner erhält Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von 2 Wochen nach Zugang des Beschlusses.

 

Gründe

Die vom Antragsgegner gegen das Urteil des AG Böblingen – FamG – vom 13.5.2003 eingelegte Berufung weist keine Aussicht auf Erfolg auf. Zu Recht hat das AG dem Scheidungsantrag der Antragstellerin nach Art. 1129 iran. ZGB stattgegeben, denn die Antragstellerin beruft sich zurecht auf den Scheidungsgrund der Unterhaltsverweigerung, demgegenüber der Wille des Antragsgegners zur Fortsetzung der ehelichen Lebensgemeinschaft unbeachtlich ist.

Das AG hat mit zutreffender Begründung, auf die der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt, die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte bejaht und nach Art. 17 Abs. 1, 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB auf die Ehescheidung iranisches Sachrecht angewandt. Gegen letzteres wendet der Antragsgegner mit seiner Berufung auch nichts ein.

I. Soweit er beanstandet, dass die Scheidung nur von einem Gericht ausgesprochen werden darf, dem ein islamischer Rechtsgelehrter oder eine von diesem ernannte Einzelperson vorsteht, dringt der Antragsgegner nicht durch. Mag sich auch die Frage des materiell anwendbaren Rechts nach internationalen Abkommen, Verträgen und dem deutschen internationalen Privatrecht (EGBGB) richten, bestimmt sich doch nach einhelliger Auffassung in Lit. und Rspr. das Verfahren nach der sog. lex fori, d.h., das international zuständige Gericht wendet auf das Verfahren sein originäres Verfahrensrecht an. Dies gilt insb. auch für die gerichtliche Zuständigkeit eines weltlichen an Stelle eines religiösen Gerichts (vgl. etwa KG IPRax 2000, 126). Nach Art. 17 Abs. 2 EGBGB kann im Inland eine Ehe auch bei Maßgeblichkeit ausländischen Scheidungsrechts im Interesse der Rechtsklarheit und zur Wahrung der Interessen mittelbar Beteiligter, insb. Kinder, nur durch gerichtliches Urteil des nach deutscher Gerichtsverfassung sachlich zuständigen FamG geschieden werden. Diese Rechtsgrundsätze werden auch nicht durch das deutsch-iranische Niederlassungsabkommen berührt.

II. Dass der Scheidungsgrund der Unterhaltsverweigerung durchgreift und das einseitige Festhalten des Antragsgegners an der Ehe hieran nichts zu ändern vermag, hat das AG im Einklang mit den hierzu in der obergerichtlichen Rspr. aufgestellten Grundsätzen ausführlich dargelegt und sorgfältig begründet.

A. Maßgeblich für die Frage des Unterhaltsanspruchs der Ehefrau ist nach dem anzuwendenden deutsch-iranischen Niederlassungsabkommen das gemeinsame Heimatrecht der Parteien. Dies schließt die Anwendung von Art. 18 Abs. 1 S. 1 und damit deutsches Sachrecht auch für den Familien- und Trennungsunterhalt aus. Mit der Eheschließung ist der Antragsgegner nach islamischer Rechtsvorstellung der Antragstellerin ggü. die vertragliche Verpflichtung eingegangen, die Kosten für ihren Unterhalt sicherzustellen. Dieser Verpflichtung ist der Antragsgegner nunmehr längere Zeit nachhaltig nicht mehr nachgekommen, wie das AG zutreffend festgestellt hat und was der Antragsgegner mit seiner Berufung auch nicht begründet in Abrede stellt. Dabei sieht der Antragsgegner richtig, dass er dem Scheidungsbegehren der Ehefrau nicht entgegenhalten kann, dass ihn nach dem (nicht anwendbaren) deutschen Unterhaltsstatut keine Unterhaltspflicht treffe. Soweit er einen Unterhaltsanspruch der Ehefrau verneint, weil diese eigene Einkünfte erzielt und ihr sonstiger Bedarf durch Leistungen eines Sozialhilfeträgers gesichert wird, lässt dies seine eigene Unterhaltsverpflichtung nach islamischen Rechtsgrundätzen unberührt. Denn die Ehefrau schuldet ihm ggü. keinerlei Erwerbstätigkeit. Jegliches Einkommen, das sie erzielt, behält sie zur freien eigenen Verfügung. Ebenso verhält es sich mit Leistungen Dritter, die ihr ggü. erbracht werden.

B. Die von ihm lediglich in geringstem Umfang erbrachten Leistungen waren nicht geeignet, das Existenzminimum der in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Ehefrau zu sichern. Vor diesem Hintergrund kommt es auf die Frage einer verschuldeten oder unverschuldeten Leistungsun...

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