Leitsatz (amtlich)

1. Eine Haftung des Herstellers eines Pflanzenstärkungsmittels für Pflanzenschäden kann unter dem Gesichtspunkt der Verletzung der Instruktionspflicht begründet sein, wenn der Hersteller eigene Mitarbeiter zu Seminaren und Fortbildungsveranstaltungen sendet, die dort über den Anwendungsbereich des Mittels informieren und dabei Einsatzmöglichkeiten als möglich und unschädlich darstellen, die sich auf andere als die im Beipackzettel ausgewiesenen Pflanzensorten erstrecken.

2. Wird bei solchen Informationsveranstaltungen allerdings darauf hingewiesen, dass über Risiken und Verträglichkeiten einer erweiterten Anwendung keine gesicherten Erkenntnisse vorliegen, so scheidet eine Haftung aus. Ohne konkrete Anhaltspunkte dafür, dass bei einer erweiterten Anwendung eine Schädigung der betroffenen Pflanzensorte eintreten kann, besteht dann auch kein Anlass zu Warnhinweisen aufgrund einer allgemeinen Pflicht zur Produktbeobachtung.

 

Normenkette

ProduktHaftG § 1 Abs. 1, §§ 2-3, 14; BGB § 823 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Frankenthal (Pfalz) (Urteil vom 11.09.2001; Aktenzeichen 7 O 306/00)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Einzelrichterin der 7. Zivilkammer des LG Frankenthal (Pfalz) vom 11.9.2001 wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zur Vollstreckung gelangenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadensersatz aus der Verwendung eines Pflanzenstärkungsmittels in Anspruch.

Der Kläger ist Inhaber eines Betriebes zur Aufzucht von Jungpflanzen in L. Die Beklagte, die vormals als N.A. GmbH firmierte, vertreibt Produkte des chemischen und biologischen Pflanzenschutzes. Sie hat ein synthetisches Pflanzenstärkungsmittel mit der Bezeichnung „B.” auf den Markt gebracht, das nach seiner Produktbeschreibung auf dem Beipackzettel (vgl. Bl. 254 d.A.) „zur Erhöhung der Gesundheit und Vitalität von Weizen” einsetzbar sein soll. Das Mittel dient der vorbeugenden Bekämpfung von falschem Mehltau. Es wird in der Landwirtschaft nicht nur bei Weizen, sondern zum Teil auch bei anderen Pflanzen verwendet. Art und Umfang dieser Verwendungsmöglichkeiten waren Gegenstand von Erörterungen in der einschlägigen land- und gartenbaulichen Fachliteratur. Darüber hinaus fand am 17.1.2000 bei der Staatlichen Lehr- und Forschungsanstalt für Landwirtschaft, Weinbau und Gartenbau (fortan: SLFA) in N. ein Seminar für Salatanbau („Salattag”) statt, bei dem neben anderen Pflanzenschutz- und Pflanzenstärkungsmitteln auch das Produkt „B.” und seine Verwendung bei der Bekämpfung von falschen Mehltau angesprochen wurde.

Der Kläger hatte das Mittel bereits im Sommer 1999 nach vorheriger Probespritzung bei einer Konzentration von 40 g/ha erfolgreich im Gewächshaus an Blumenkohljungpflanzen eingesetzt. Am 25.1.2000 spritzte der Sohn des Klägers Blumenkohl-, Brokkoli- und Kohlrabijungpflanzen unter Glas mit einer Kombination aus „B.” und einem Pflanzenschutzmittel namens „R.G.K.”. Daraufhin zeigten sich an den Pflanzen Wuchsstörungen, die bei den Gemüsearten Brokkoli und Kohlrabi durch entspr. Aufwendungen des Klägers wieder ausgeglichen werden konnten. Die Blumenkohljungpflanzen blieben unverkäuflich. Versuche, die im Anschluss an das Schadensereignis von der SLFA N. durchgeführt wurden, sowie ein von dem Kläger eingeholtes Privatgutachten der Sachverständigen Dr. K.-B. vom 12.6.2000 kamen zu dem Ergebnis, dass die Schäden auf den Einsatz von „B.” zurückzuführen sind.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagte sei ihm zum Ersatz seines Schadens verpflichtet, den er auf 357.852,55 DM beziffert hat. Dazu hat der Kläger vorgetragen, die Beklagte habe das Produkt „B.” empfohlen, obwohl es dafür an einer ausreichenden Versuchsgrundlage gefehlt habe. Sein Sohn habe bei dem „Salattag” am 17.1.2000 den bei der Beklagten tätigen Zeugen H. ausdrücklich danach gefragt, was er davon halte, wenn man die im Winter gezogenen Jungpflanzen vorbeugend mit „B.” gegen falschen Mehltau behandle. Der Zeuge habe dies ausdrücklich gutgeheißen.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 357.852,55 DM nebst 14 % Zinsen hieraus seit dem 16.3.2000 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, sie habe den Schaden des Klägers nicht zu verantworten.

Mit Urteil vom 11.9.2001 (Bl. 420 d.A.) hat die Einzelrichterin der 7. Zivilkammer des LG Frankenthal (Pfalz) die Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, Ansprüche aus Produkthaftung bestünden nicht. Der Kläger habe nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme den Nachweis dafür nicht geführt, dass er aufgrund der Art und Weise, wie die Beklagte das Produkt in den Verkehr ge...

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