Leitsatz (amtlich)

Die Frage der Wirksamkeit einer Erbausschlagung kann im Regelfall angesichts der Möglichkeit einer vorherigen Annahme durch den Ausschlagenden nicht im grundbuchrechtlichen Verfahren durch Auslegung entschieden werden (§§ 29, 35 GBO).

 

Tenor

1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Hinsichtlich des im Rubrum näher bezeichneten Grundbesitzes ist die Antragstellerin und Beschwerdeführerin jeweils als Eigentümerin eingetragen. In der Zweiten Abteilung des Grundbuchs ist jeweils vermerkt:

"Die B. ist Vorerbin; Nacherben des A. sind C., D. und E.; Eintritt der Nacherbfolge beim Tod des Vorerben; gemäß Erbvertrag vom 17.03.1998 (Ur.Nr. ..., Notar ...) eingetragen am 10.08.2000."

In dem o.g. zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem am ... verstorbenen Ehemann, A., geschlossenen Erbvertrag vom ... heißt es u.a.:

"§ 2 Wir setzen uns gegenseitig zu nicht befreiten Vorerben ein.

Diese gegenseitige Vorerbeinsetzung erfolgt mit erbvertraglicher Bindung und ohne Rücksicht darauf, ob und welche Pflichtteilsberechtigte beim Tode des Erstversterbenden von uns vorhanden sein werden. (...)

Zum Nacherben des Erstversterbenden wie auch zum Schlußerben des Längstlebenden setzen wir ein:

die Kinder des Ehemannes aus erster Ehe

1. C. zu 1/3 Anteil,

2. D. zu 1/3 Anteil,

die Tochter der Ehefrau

3. E. (...) zu 1/3 Anteil,

ersatzweise jeweils deren Abkömmlinge im Verhältnis der gesetzlichen Erbteile.

Sollte einer der eingesetzten Nacherben und Schlußerben vor dem Erstversterbenden ohne Hinterlassung von Abkömmlingen versterben, so soll dessen Anteil den übrigen Erben, ersatzweise deren Abkömmlingen, gleichmäßig nach Stämmen und nach den Regeln der gesetzlichen Ordnung zuwachsen.

Sollte er nach Eintritt des Vorerbfalls jedoch vor dem Nacherbfall verstorben sein, gelten die gesetzlichen Regeln. (...)"

Die Beschwerdeführerin hat am 13. Januar 2022 u.a. unter Vorlage der Kopie einer Ausschlagungserklärung des D. vom 3. Januar 2001 [Amtsgericht - Nachlassgericht - Bingen am Rhein] die Löschung des jeweils zu seinen Gunsten eingetragenen Nacherbenvermerks beantragt. D. habe seine Pflichtteilsansprüche geltend gemacht und sich im Juli 2001 mit einer Zahlung von 35.500,- DM für abgefunden erklärt. Das Grundbuchamt hat sich mit Zwischenverfügung vom 2. März 2022 auf den Standpunkt gestellt, der Nacherbenvermerk könne nur bei Einreichung der Bewilligung (§ 29 GBO) nebst Bewilligung der Ersatznacherben, ggf. eines zu bestellenden Pflegers, oder bei Nachweis der Unrichtigkeit gelöscht werden. Unabhängig von der Fristenregelung des § 1944 BGB ergebe sich aus § 1943 BGB, dass der Nacherbe die Nacherbschaft nicht mehr ausschlagen könne, wenn er sie angenommen habe. Schließlich müsse ermittelt werden, ob die Ersatznacherben an die Stelle des Nacherben treten. Der Erbvertrag enthalte keine Angabe, was bei Geltendmachung des Pflichtteils eintreten solle. Die Prüfungspflicht des Grundbuchamts habe ihre Grenze dort, wo hinsichtlich des behaupteten Erbrechts Zweifel tatsächlicher Art verblieben, die nur durch weitere Ermittlungen geklärt werden könnten. Hierzu bedürfe es eines Erbscheins nach A.

Das Grundbuchamt hat den Antrag vom 13. Januar 2022 schließlich mit Zurückweisungsbeschluss vom 5. Juli 2022 zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Beschwerdeführerin mit ihrer Beschwerde, mit der sie geltend macht, das Grundbuchamt sei nicht berechtigt, sich auf die Vorlage eines Erbscheins gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO zum Nachweis der Erbfolge zu berufen. Vielmehr sei es zur Auslegung der letztwilligen Verfügung verpflichtet, und zwar auch dann, wenn rechtlich schwierige Fragen zu beurteilen seien. Gründe oder Anhaltspunkte, weshalb die Erbausschlagungserklärung des D. unwirksam sein könnte, ergeben sich gerade nicht aus der Erklärung selbst. Ebenso gebe es keine Anhaltspunkte für eine mögliche vorherige Annahme der Nacherbschaft, bevor diese selbst eingetreten sei. Auch wenn D. zwei leibliche Töchter habe, sei Anwachsung gemäß § 2094 BGB bei den übrigen Nacherben eingetreten, weil die Ausschlagung lediglich zum Zwecke des Pflichtteilsverlangens vorgenommen worden sei. Dies sei sogar der Ausschlagungserklärung selbst zu entnehmen. In diesem Fall entspreche es erfahrungsgemäß dem Willen des Erblassers, dass nicht Ersatznacherbfolge eintrete, sondern die Erbschaft dem Vorerben verbleibe, da sonst eine Doppelbegünstigung des Stammes eintreten würde. Dies gelte wiederum auch dann, wenn der Erblasser ausdrücklich die Abkömmlinge seiner Kinder zu Ersatznacherben berufen habe.

Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II. Die nicht fristgebundene Beschwerde ist gemäß §§ 71 Abs. 1 GBO, 11 Abs. 1 RPflG statthaft, formgerecht eingelegt worden und auch im Übrigen zulässig. Der Senat ist gemäß §§ 72 GBO, §§ 13a, 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) GVG, § 4 Abs. 3 Nr. 2 lit. a) GerOrgG Rheinland-Pfalz zur Entscheidung hierüber berufen. In der Sache ist dem Rechtsmittel der Erfolg zu ve...

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