Leitsatz (amtlich)

Die Festsetzung der Vergütung des Nachlasspflegers durch den Rechtspfleger setzt zwingend eine wirksame Bestellung nach § 1789 BGB voraus. Von ihr kann nicht unter Verweis auf die "allgemeine Coronalage" abgesehen werden. Etwaige Ansprüche des Nachlasspflegers aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder Amtshaftung bei unterlassener Bestellung können im Vergütungsfestsetzungsverfahren keine Berücksichtigung finden.

 

Normenkette

BGB §§ 1789, 1915, 1960

 

Verfahrensgang

AG Neuwied (Aktenzeichen 27 VI 513/20)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Landeskasse wird der Beschluss des Amtsgerichts -Nachlassgericht- Neuwied vom 21.08.2020 aufgehoben und der Vergütungsantrag des Beteiligten zu 2 vom 06.07.2020 zurückgewiesen.

2. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

3. Der Beschwerdewert wird auf 164,87 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Festsetzung der Vergütung des Beteiligten zu 2 in Höhe von 164,87 EUR mit dem angefochtenen Beschluss des Nachlassgerichts - Rechtspfleger - Neuwied.

Mit Beschluss vom 26.06.2020 wurde für die unbekannten Erben der E... S...die Nachlasspflegschaft angeordnet und der Beteiligte zu 2 als Nachlasspfleger ausgewählt. Die betreffende Bestallungsurkunde wurde dem Beteiligten zu 2 gemäß Verfügung des Rechtspflegers vom 26.06.2020 mit dem Hinweis zugestellt, dass aufgrund der Coronalage auf eine persönliche Verpflichtung verzichtet werde. Mit Schriftsatz vom 06.07.2020 teilte der Beteiligte zu 2 mit, dass die Nachlasspflegschaft aufgehoben werden könne. Gleichzeitig beantragte er nach Abzug eines Barbetrages von 22,70 EUR die Festsetzung seiner Kosten mit einem Betrag von 164,87 EUR. Der Bezirksrevisor bei dem Landgericht Koblenz beantragte unter dem 20.07.2020 für die Landeskasse die Zurückweisung des Vergütungsantrages. Zur Begründung führte er unter Hinweis auf mehrere Entscheidungen des Bundesgerichtshofs aus, dass aufgrund der fehlenden Verpflichtung keine wirksame Bestellung vorliege. Mit Verfügung vom 29.07.2020 verwies der Rechtspfleger darauf, dass eine persönliche Verpflichtung des Nachlasspflegers aufgrund der Coronalage nicht erfolgt sei und übersandte die Akte erneut an den Bezirksrevisor mit der Bitte um Überprüfung seiner Auffassung. Nachdem dieser mit Verfügung vom 03.08.2020 mitgeteilt hatte, dass er an seiner Rechtsauffassung festhalte, hat das Amtsgericht dem Beteiligten zu 2 rechtliches Gehör gewährt und danach mit der angefochtenen Entscheidung antragsgemäß eine Vergütung und Aufwendungsersatz aus der Staatskasse festgesetzt. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass auf eine persönliche Verpflichtung des Nachlasspflegers verzichtet werden konnte, da die allgemeine Coronalage diese nicht zugelassen habe. Es handle sich um eine reine Formvorschrift, die auf den Ablauf des Verfahrens grundsätzlich keine Auswirkung habe. Bei dem Amtsgericht Neuwied habe zudem seit Beginn der Coronakrise die Anweisung bestanden, den Publikumsverkehr im Gerichtsgebäude so gering wie möglich zu halten. Dazu habe auch gehört, verzichtbare Termine in Nachlasssachen zu vermeiden.

Auf den Antrag des Bezirksrevisors hat der Rechtspfleger im Erinnerungsverfahren die Beschwerde nach § 61 Abs. 2, 3 FamFG mit Beschluss vom 01.09.2020 zugelassen und zugleich der Beschwerde nicht abgeholfen.

II. 1. Die Beschwerde ist verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden. Gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 21.08.2020 ist auf der Grundlage der erfolgten Zulassung die Beschwerde nach §§ 58 ff. FamFG statthaft (Palandt/Weidlich, BGB § 1960 Rn. 27; MüKo BGB § 1960 Rn. 122). Die Landeskasse ist beschwerdebefugt, da die Festsetzung der Vergütung zu ihren Lasten erfolgt ist (vgl. OLG Frankfurt a. M. Beschl. v. 29.6.2018 - 21 W 75/18, BeckRS 2018, 22730 m.w.N.). Die Zuständigkeit des Pfälzischen Oberlandesgerichts folgt aus § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG i.V.m. § 4 Abs. 3 Nr. 2a GerOrgG-RLP.

2. In der Sache führt die Beschwerde zum Erfolg. Die Festsetzung der Vergütung in Höhe von 164,87 EUR für die Tätigkeit des Beteiligten zu 2. als Nachlasspfleger kann keinen Bestand haben.

Für die Nachlasspflegschaft nach § 1960 BGB gelten die allgemeinen Regelungen der Pflegschaft, insbesondere finden die Vorschriften des Vormundschaftsrechts gemäß § 1915 BGB entsprechende Anwendung. Die Nachlasspflegschaft ist ein Sonderfall der Pflegschaft für unbekannte Beteiligte und lex specialis zu § 1913 BGB (Ermann BGB § 1960 Rn. 14 m.w.N.). Der Vergütungsanspruch des Beteiligten zu 2 als Nachlasspfleger richtet sich nach §§ 1915, 1836 BGB i.V.m. den Vorschriften des Vormünder- und Betreuervergütungsgesetzes (vgl. OLG Düsseldorf FamRZ 2014, 1656). Über §§ 1915, 1960 BGB gilt damit auch für den Nachlasspfleger § 1789 BGB. Danach hat das gemäß § 1962 BGB an Stelle des Familiengerichts tätige Nachlassgericht eine Bestellung für den konkreten Fall durch Verpflichtung zu treuer und gewissenhafter Führung der Nachlasspflegschaft vorzunehmen (vgl. OLG S...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge