Verfahrensgang

AG Neustadt an der Weinstraße (Beschluss vom 06.05.1999; Aktenzeichen 2 F 80/99)

 

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Das Verfahren über die Beschwerde ist gerichtsgebührenfrei.

Der Antragsteller hat die der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren erwachsenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

III. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,– DM festgesetzt.

 

Gründe

Die befristete Beschwerde des Antragstellers ist statthaft und auch sonst in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden (§§ 621 e Abs. 1 und 3, 621 Abs. 1 Nr. 1, 516, 519 Abs. 1 und 2 ZPO, 19, 20 FGG).

In der Sache führt das Rechtsmittel allerdings nicht zu dem erstrebten Erfolg, weil die Entscheidung des Familiengerichts – Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für die Zwillinge S. und A. auf die Mutter – im Sinne des Wohls der Kinder einer Änderung nicht bedarf.

Rechtsgrundlage für die Regelung des Aufenthaltsbestimmungsrechts ist – entgegen der Auffassung des Familiengerichts – nicht die Bestimmung des § 1628 BGB, sondern diejenige des § 1671 BGB n.F.. Dessen Wortlaut erlaubt es nunmehr ausdrücklich, einen Teilbereich der elterlichen Sorge aus dem gemeinsamen Sorgerecht der Eltern herauszulösen und auf einen Elternteil allein zu übertragen, wenn insoweit eine Einigungsfähigkeit der Eltern nicht besteht; dies gilt namentlich für den wichtigen Teilkomplex des Aufenthaltsbestimmungsrechts (vgl. Schwab in FamRZ 1998, 457, 459).

Der Anwendungsbereich des § 1628 BGB ist dagegen auf situative Entscheidungen beschränkt; er betrifft nur Einzelfälle, in denen die Eltern konkrete Meinungsdifferenzen nicht allein zu überwinden vermögen (vgl. Beispielsfälle bei Palandt/Diederichsen, BGB, 58. Aufl., Rdnrn. 4 und 5 zu § 1628 BGB). Das gesetzliche Wertungssystem des Rechts der elterlichen Sorge gebietet eine restriktive Auslegung dieser Bestimmung (vgl. Diederichsen, a.a.O., Rdnr. 3 zu § 1628 BGB).

Nach § 1671 Abs. 1 BGB n.F. kann bei nicht nur vorübergehender Trennung jeder Elternteil verlangen, dass das Familiengericht ihm einen Teilbereich der bisher gemeinsam ausgeübten elterlichen Sorge allein überträgt. Diesem Antrag ist u.a. zu entsprechen, wenn zu erwarten ist, dass die Aufhebung eines Teilbereichs der elterlichen Sorge und Übertragung desselben auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspricht (§ 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Es hat also eine Prüfung in zwei Schritten zu erfolgen: Sowohl die Aufhebung eines Teilbereichs der elterlichen Sorge als auch dessen Übertragung gerade auf den Antragsteller muss für das Kind die beste Lösung darstellen.

Da die Eltern hier keine Einigung darüber erzielen können, bei welchem der Elternteile S. und A. zukünftig ihren Lebensmittelpunkt haben sollen – ob in … beim Vater oder in … bei der Mutter –, ist es zum Wohl der Kinder geboten, den Teilbereich der Aufenthaltsbestimmung einem Elternteil allein zu übertragen. Beide Elternteile haben jeweils gegenläufige Anträge auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts – bei Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge im Übrigen – auf sich gestellt.

Bei der im Rahmen des § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB n.F. vorzunehmenden prognostischen Beurteilung des Kindeswohls sind die von Rechtsprechung und Literatur zum bisherigen Sorgerecht entwickelten Grundsätze nach wie vor von Belang (vgl. hierzu Schwab, a.a.O.). Danach sind die Bindungen der Kinder, insbesondere an ihre Eltern, zu berücksichtigen. Andere gewichtige Gesichtspunkte für die zu treffende Regelung sind die Prinzipien der Förderung, der Kontinuität und der Kindeswille. Danach soll das Sorgerecht demjenigen Elternteil übertragen werden, der dem Kind voraussichtlich die besseren Entwicklungsmöglichkeiten vermitteln und ihm die meiste Unterstützung für den Aufbau seiner Persönlichkeit sowie eine gleichmäßige, stetige Betreuung und Erziehung geben kann. Neben den genannten Gesichtspunkten sind Erziehungsbereitschaft, häusliche Verhältnisse und das soziale Umfeld der Eltern mit in die Bewertung einzubeziehen. Alle diese Kriterien stehen letztlich nicht wie Tatbestandsmerkmale kumulativ nebeneinander; vielmehr kann jedes von ihnen im Einzelfall für die Bestimmung dessen, was dem Wohl des Kindes am besten entspricht, mehr oder weniger bedeutsam sein (vgl. BGH FamRZ 1985, 169, 170, zu § 1671 BGB a.F.).

Der Senat ist nach eingehender Anhörung der Eltern und der Zwillinge S. und A. sowie unter Berücksichtigung des Ergebnisses des kinderpsychologischen Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Psychologen L. vom 22. November 1999 und dessen Erläuterung in der mündlichen Verhandlung am 13. Januar 2000 zu der Überzeugung gelangt, dass die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf die Mutter dem Wohl der Kinder S. und A. am ehesten entspricht.

So hat der Sachverständige Dipl.-Psychologe L. die mit Beweisbeschluss des Senats vom 8. Juli 1999 gestellte Frage, welcher der Elternteile zur Erziehung der Zwillinge besser geeignet erscheint, in seinem schriftlichen Gutachten dahi...

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