Entscheidungsstichwort (Thema)

Einziehung eines Erbscheins über die Erbfolge nach dem am … in … verstorben D. R. K. zuletzt wohnhaft … in …. Fremdrechtserbschaein

 

Leitsatz (redaktionell)

Die internationale Zuständigkeit des deutschen Nachlassgerichts bestimmt sich nach der Gleichlauftheorie, wonach grundsätzlich nach Art. 25 EGBGB materiell-rechtlich deutsches Erbrecht mindestens teilweise anwendbar sein muss. Eine Ausnahme vom Gleichlaufgrundsatz liegt vor, wenn das Nachlassgericht die Erteilung des Erbscheins bei Anwendung ausländischen Erbrechts auf das inländische Nachlassvermögen beschränkt.

 

Normenkette

BGB § 2369 Abs. 1; FGG §§ 20, 73

 

Verfahrensgang

LG Frankenthal (Pfalz) (Beschluss vom 10.05.2001; Aktenzeichen 1 T 67/01)

AG Ludwigshafen (Beschluss vom 11.04.2001; Aktenzeichen 8 b VI 655/00)

 

Tenor

I. Der angefochtene Beschluss wird geändert:

Unter Änderung des Beschlusses des Amtsgerichts – Nachlassgericht – Ludwigshafen am Rhein vom 11. April 2001 wird das Nachlassgericht angewiesen, den dem Beteiligten zu 2) am 16. Januar 2001 unter dem Aktenzeichen 8 b VI 655/00 erteilten Erbschein einzuziehen.

II. Der Gegenstandswert für das Verfahren der Beschwerde und der weiteren Beschwerde wird auf bis zu 2 000,– DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten sind die einzigen Nachkommen des am … in … verstorbenen Erblassers mit letztem Wohnsitz in … … Dieser war iranischer Staatsangehöriger und Mitglied der Religionsgemeinschaft der Bahai. Der Erblasser war zur Zeit seines Todes nicht verheiratet; die Ehe mit seiner früheren Ehefrau wurde durch das Amtsgericht Kandel am 5. September 1988 rechtskräftig geschieden. Eine letztwillige Verfügung hat der Erblasser nicht hinterlassen.

Im Zeitpunkt seines Todes war der Erblasser Eigentümer eines Grundstücks in J.

Am 16. Januar 2001 hat das Amtsgericht – Nachlassgericht – Ludwigshafen am Rhein auf Antrag des Beteiligten zu 2) einen Erbschein ausgestellt, wonach der Erblasser „aufgrund gesetzlichen iranischen Erbrechts” von den Beteiligten zu je ½ beerbt werde.

Der Beteiligte zu 1) hält diesen Erbschein zwar nicht hinsichtlich der Erbquoten, jedoch insoweit für unrichtig, als er feststellt, dass gesetzliches iranisches Erbrecht anzuwenden ist. Er hat deshalb beantragt, den Erbschein einzuziehen, hilfsweise, diesen für kraftlos zu erklären. Er ist der Ansicht, die Erbfolge habe vorliegend nicht nach iranischem, sondern nach deutschem Recht stattzufinden, da die Anwendung iranischen Rechts eine Verletzung der öffentlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland („ordre public”) darstelle. Eine grobe Grundrechtsverletzung bestehe in der Diskriminierung von Anhängern der Religionsgemeinschaft der Bahai im Iran. Diesen sei es entgegen Angehöriger anderer religiöser Minderheiten, z. B. der Zoroastriker, der Juden und Christen, verwehrt, ihre Personenstands- und Erbangelegenheiten selbständig zu regeln. Gemäß Art. 6 EGBGB dürfe deshalb entgegen Art. 25 EGBGB iranisches Erbrecht keine Anwendung finden, vielmehr sei diese Regelungslücke durch die Anwendung deutschen Erbrechts zu schließen. Der Antragsgegner ist dem entgegengetreten.

Das Nachlassgericht hat die Anträge zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Beteiligten zu 1) hat das Landgericht Frankenthal (Pfalz) mit der Begründung als unzulässig verworfen, es fehle bereits an seiner Beschwer, weil auch dieser die ausgewiesene Erbquote nicht beanstande, sondern lediglich die Feststellung des Nachlassgerichts, dass iranisches Recht anwendbar sei.

Mit seiner weiteren Beschwerde verfolgt der Beteiligte zu 1) sein Begehren auf Einziehung, hilfsweise Kraftloserklärung des Erbscheins vom 16. Januar 2001 weiter.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) ist in förmlicher Hinsicht nicht zu beanstanden (§§ 27 Abs. 1, 29 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 4, 20 Abs. 1 und 2 FGG). Die Statthaftigkeit des Rechtsmittels ergibt sich bereits daraus, dass das Beschwerdegericht die Erstbeschwerde als unzulässig verworfen hat (Gedanke des § 547 ZPO; vgl. BGH NJW 1992, 3305; BayObLG NJW-RR 1994, 831, jew. m. w. N.; Keidel/Kuntze/Kahl, FGG-Kommentar, 14. Aufl., § 27 Rdnr. 7). Die gemäß §§ 29 Abs. 4, 20 Abs. 1 FGG erforderliche Beschwerdebefugnis des Beteiligten zu 1) folgt für die weitere Beschwerde daraus, dass seine Erstbeschwerde zurückgewiesen worden ist (vgl. BGHZ 31, 92, 95; Bay-ObLGZ 1982, 236, 238; Keidel/Kuntze/Winkler/Kahl, aaO, Rdnr. 10, jew. m. w. N.).

2. In der Sache führt die weitere Beschwerde zu einem Erfolg. Denn die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Verletzung des Gesetzes (§ 27 Abs. 1 Satz 1 FGG) und kann deshalb keinen Bestand haben.

a) Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist die Erstbeschwerde zulässig. Die Kammer hat die nach § 20 Abs. 1 FGG erforderliche Beschwerdeberechtigung verneint, weil der Beteiligte zu 1) nicht die Erbquote, sondern lediglich die Feststellung in Frage stellt, dass die Beteiligten den Erblasser nach islamischem Recht beerben. Es kann dahinstehen, ob in dieser aus Sicht des...

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