Leitsatz (amtlich)

Ein Verstoß gegen ein gewaltschutzrechtliches Betretungs-, Näherungs- und Kontaktaufnahmeverbot liegt nicht vor, wenn der Antragsgegner des Gewaltschutzverfahrens im Kellerraum des von beiden Beteiligten bewohnten Mehrparteienhauses die Gefriertruhe der Antragstellerin vom Stromnetz trennt.

 

Normenkette

FamFG § 87 Abs. 4; GewSchG § 1

 

Verfahrensgang

AG Kaiserslautern (Aktenzeichen 5 F 1101/20 eA)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Kaiserslautern dahingehend geändert, dass das Ordnungsgeld auf 2.500,00 EUR reduziert wird.

 

Gründe

Das Amtsgericht - Familiengericht - Kaiserslautern hat gegen den Antragsgegner mit Beschluss vom 19. November 2020 im Wege der einstweiligen Anordnung auf Grundlage von § 1 GewSchG ein Betretungs-, Näherungs- und Kontaktaufnahmeverbot verhängt, das bis zum 19. Mai 2021 befristet war.

Mit Beschluss vom 22. November 2021, auf den hinsichtlich der Einzelheiten verwiesen wird, hat das Familiengericht wegen festgestellter neun Verstöße im Zeitraum vom 4. Dezember 2020 bis 29. März 2021 ein Ordnungsgeld von 5.000,00 EUR verhängt.

Mit seiner sofortigen Beschwerde macht der Antragsgegner geltend, das Familiengericht habe unberücksichtigt gelassen, dass er von dem Lebensgefährten der Antragstellerin permanent verbal beleidigt und durch frühmorgendliches Klingeln aus dem Schlaf gerissen worden sei, was der Antragstellerin zugerechnet werden müsse. Letztlich habe er es in seiner Not und Hilflosigkeit dem Lebensgefährten der Antragstellerin heimzahlen wollen. Soweit er den Stecker der Gefriertruhe gezogen und Manipulationen an der Waschmaschine der Antragstellerin vorgenommen habe, seien diese Handlungen nicht zu sanktionieren. Die Höhe des Ordnungsgeldes sei unverhältnismäßig. Das Strafverfahren sei schließlich gem. § 153a StPO gegen Zahlung von nur 1.000,00 EUR eingestellt worden.

Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners ist nach § 87 Abs. 4 FamFG statthaft und nach §§ 87 Abs. 4 FamFG, 569 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO form- und fristgerecht eingelegt. In der Sache erzielt das Rechtsmittel einen Teilerfolg.

Im Ausgangspunkt ist hervorzuheben, dass die Taten, die Gegenstand des Ordnungsgeldbeschlusses sind, von dem Antragsgegner inzwischen eingeräumt wurden. Er hat in der Beschwerdebegründung klargestellt, dass er insbesondere das Betätigen der Klingel und das Klopfen an der Tür von ihm vorgenommen worden seien. Auch die übrigen Taten hat der Antragsgegner nach eigenen Angaben zumindest im Strafverfahren eingeräumt (Bl. 200 AG.).

Entgegen der Auffassung des Erstgerichts kann allerdings kein Ordnungsgeld für die Taten vom 26. Januar 2021 (2 Taten), vom 9., 10. und 11. März verhängt werden. An diesen Tagen hat der Antragsgegner den Stecker der im Kellerraum befindlichen Gefriertruhe der Antragstellerin gezogen. Da sich das Betretensverbot nur auf die Erdgeschosswohnung bezieht, der Kellerraum in der Gewaltschutzanordnung nicht ausdrücklich genannt ist, sind weder Ziff. 1.1 noch 1.2 des Beschlusses vom 19. November 2020 einschlägig. Es handelt sich auch nicht um eine Form der Näherung, bzw. Kontaktaufnahme, die mit Beschluss vom 19. November 2020 in Ziff. 1.3 bis 1.5 untersagt worden ist. Vielmehr ist in den genannten Taten jeweils nur eine nicht von der Gewaltschutzanordnung umfasste Boshaftigkeit zu erblicken, die nicht mit einem Ordnungsgeld belegt werden kann, sondern Grundlage zivilrechtlicher Ansprüche sein kann, über die hier nicht zu befinden ist.

Hinsichtlich der übrigen Vorfälle, die im Beschluss vom 22. November 2021, bzw. in der mit Bildmaterial belegten Aufstellung (Bl 169 ff AG) beschrieben sind, hat der Antragsgegner keine wesentlichen Einwendungen erhoben. Soweit der Antragsgegner noch immer anführt, die Anfertigung von Bild- und Videoaufzeichnungen sei unzulässig, übersieht er, dass es hierauf schon deshalb nicht mehr ankommt, weil die Vorwürfe inzwischen eingeräumt wurden. Im Übrigen besteht an der Zulässigkeit der Verwertung nach der gebotenen Abwägung auf Grundlage der vom Bundesgerichtshof aufgestellten Kriterien (grundlegend: BGH, Urteil vom 15. Mai 2018, VI ZR 233/17) kein Zweifel. Bei der Bemessung der Höhe des festzusetzenden Ordnungsgeldes ist zu berücksichtigen, dass die Art und Zahl der Taten geeignet ist, der Antragstellerin erheblichen (vor allem psychischen) Schaden zuzufügen. In der Gesamtschau der Taten sowie des übrigen (wenngleich von der Gewaltschutzanordnung nicht umfassten) Verhaltens kann nur der Schluss gezogen werden, dass es dem Antragsgegner darum ging, die Antragstellerin massiv zu drangsalieren. Letztlich konnten die Taten, die der Antragsgegner zunächst "nachhaltig bestritten" (Bl. 102 d.A.) hat, nur mittels Bild- und Videoaufzeichnungen nachgewiesen werden. Vor dem Hintergrund, dass der Antragsgegner selbst nach den Ordnungsgeldanträgen - noch über die Dauer der Gewaltschutzanordnung hinaus - (mittels Videoaufzeichnungen belegte) Nachstellungshandlungen verübt hat, wird d...

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