Entscheidungsstichwort (Thema)

Einziehung eines Erbscheins über die Erbfolge des am 5. August 1993 verstorbenen …. Erbanfechtung

 

Leitsatz (redaktionell)

Zur Anfechtung der Annahme der Erbschaft bei bereits erteiltem Erbschein.

 

Normenkette

BGB § 1945 Abs. 1, §§ 1955, 1957 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Frankenthal (Pfalz) (Beschluss vom 23.11.1995)

 

Tenor

1. Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Der Gegenstandswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde und derjenige des Erstbeschwerdeverfahrens – insoweit in Abänderung des angefochtenen Beschlusses – werden auf 2.814,29 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Durch privatschriftliches Testament vom 6. Mai 1991 hatte der am 5. August 1993 verstorbene Erblasser die Beteiligten zu 2 und 3) mit jeweils 1/5 und die Beteiligten zu 1, 4 und 5) mit jeweils 1/15 zu seinen Erben eingesetzt. Als weitere Miterben waren in dem Testament … und … mit jeweils 1/5 des Nachlasses bedacht. Diese beide Miterben sind nachverstorben und von der Beteiligten zu 6) beerbt worden.

Auf Antrag vom 20. August 1993 erteilte das Nachlaßgericht Neustadt an der Weinstraße den Beteiligten zu 1 bis 5) und den Miterben … und … am 29. September 1993 gemeinschaftlichen Erbschein entsprechend der im Testament angeordneten Erbfolge.

In der Folgezeit setzten die Beteiligten den Nachlaß auseinander. Sodann erließ das Finanzamt Neustadt an der Weinstraße am 8. Juni 1995 gegenüber den Beteiligten zu 1 und 5) Arrestanordnungen, mit denen jeweils Ansprüche gegen den Nachlaß auf rückständige Einkommens-, Kirchen- und Vermögenssteuern, rückständige Solidaritätszuschläge und Zinsen im Gesamtbetrage von 235.210,67 DM gesichert werden sollen. Mit notariell beglaubigten Erklärungen vom 4. Juli 1995, eingegangen beim Nachlaßgericht am 6. Juli 1995 erklärten die Beteiligten zu 1 bis 4) die Anfechtung der Annahme der Erbschaft. Zur Begründung führten sie aus, der Nachlaß sei mit Steuerschulden belastet, von denen sie erst durch Steuerbescheide vom 27. Juni 1995 erfahren hätten. Eine gleichlautende Anfechtungserklärung der Beteiligten zu 5) vom 12. Juli 1995 ist am 17. Juli 1995 beim Nachlaßgericht eingegangen.

Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 9. August 1995 gab der Beteiligte zu 1) den gemeinschaftlichen Erbschein vom 29. September 1993 zum Zweck der Einziehung an das Nachlaßgericht zurück.

Das Nachlaßgericht Neustadt an der Weinstraße hat mit Beschluß vom 23. Oktober 1995 die Einziehung des Erbscheins abgelehnt. Dagegen hat der Beteiligte zu 1) Beschwerde zum Landgericht Frankenthal (Pfalz) eingelegt, die ohne Erfolg geblieben ist. Mit seiner weiteren Beschwerde erstrebt der Beteiligte zu 1) die Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen und die Anweisung an das Nachlaßgericht, den gemeinschaftlichen Erbschein vom 29. September 1993 einzuziehen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die weitere Beschwerde ist gemäß § 27 Abs. 1 FGG statthaft, an keine Frist gebunden und auch im übrigen in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden (§§ 29 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 4, 20, 21 FGG). In der Sache bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht nicht auf einer Verletzung des Gesetzes (§ 27 Abs. 1 FGG).

Das Landgericht hat die Voraussetzungen einer Einziehung (§ 2361 Abs. 1 BGB) des gemeinschaftlichen Erbscheins vom 29. September 1993 mit Recht verneint. Der Erbschein, der den Beteiligten zu 1) als Miterben zu 1/5 ausweist, gibt die Erbfolge aufgrund des Testaments des Erblassers vom 6. Mai 1991 zutreffend wieder.

Durch die von seiner Bevollmächtigten am 20. August 1993 gegenüber dem Nachlaßgericht abgegebene Erklärung hat der Beteiligte zu 1) die Erbschaft angenommen (§ 1943 BGB). Seine am 6. Juli 1995 beim Nachlaßgericht eingegangene Anfechtungserklärung vom 4. Juli 1995 entspricht zwar der gemäß §§ 1955, 1945 Abs. 1 BGB vorgeschriebenen Form. Sie ist aber ohne Wirkung geblieben, weil die Voraussetzungen einer Anfechtung gemäß § 119 Abs. 2 BGB nicht vorliegen. Deshalb hat die Anfechtungserklärung keine Ausschlagungsfiktion i. S.v. § 1957 Abs. 1 BGB ausgelöst.

1. Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, daß im hier vorliegenden Fall allein eine Anfechtung wegen Eigenschaftsirrtums i. S.v. § 119 Abs. 2 BGB in Betracht zu ziehen ist. Sie setzt voraus, daß derjenige, der seine Erklärung anficht, sich über Eigenschaften der Person oder der Sache im Irrtum befunden hat, die im Verkehr als wesentlich angesehen werden. Eine verkehrswesentliche Eigenschaft der Sache kann dann vorliegen, wenn sich der Nachlaß entgegen den Erwartungen des Erben als überschuldet darstellt (vgl. dazu BGH LM Nr. 2 zu § 779 BGB; BGHZ 106, 369, 363; BayObLGZ 1980, 23, 27 und 1983, 9, 11; MüKo zum BGB/Leipold, BGB 2. Aufl. § 1954 Rdn. 8; Staudinger/Otte/Marotzke, BGB 12. Aufl. § 1954 Rdn. 5; RGRK zum BGB/Johannsen, 12. Aufl. § 1954 Rdn. 4, jeweils m.w.N.). Das Landgericht hat eine Überschuldung jedoch verneint. Dies hält den an die Überzeugungsbildung des Tatrichters zu stellenden Anforderungen stand.

Es ist von Rechts wegen nicht zu b...

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