Entscheidungsstichwort (Thema)

Grenzen zulässiger Beschränkungen des Musizierens in Eigentumswohnungen

 

Leitsatz (redaktionell)

Die in der Hausordnung einer Wohneigentumsanlage enthaltene Beschränkung des Musizierens auf die Zeit zwischen 10.00 und12.00 Uhr und zwischen 15.00 und 17.00 Uhr stellt eine zu weitgehende und damit unzulässige Beschränkung des Rechts der Wohneigentümer zur Nutzung ihres Sondereigentums dar (vergleiche OLG Karlsruhe, 13.04.1988, 6 U 30/87, NJW-RR 1989,1179)

 

Verfahrensgang

AG Mainz (Aktenzeichen 34 II 65/89 - WEG)

LG Mainz (Aktenzeichen 8 T 253/89)

 

Tenor

1. Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Die Antragsgegner haben die Gerichtskosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde zu tragen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

3. Der Gegenstandswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 500,– DM festgesetzt.

 

Gründe

Das zulässige Rechtsmittel bleibt in der Sache ohne Erfolg, denn die angefochtene Erstbeschwerdeentscheidung beruht nicht auf einer Verletzung des Gesetzes (§ 27 FGG).

Das Landgericht hält die mit Stimmenmehrheit beschlossene Bestimmung des § 7 Nr. 1 Satz 1 der Hausordnung für die im Eingang bezeichnete Wohnanlage für ungültig, weil die darin enthaltene Beschränkung des Musizierens auf die Zeit zwischen 10.00 und 12.00 Uhr und zwischen 15.00 und 17.00 Uhr eine zu weitgehende, durch § 14 Nr. 1 WEG nicht mehr gedeckte Einschränkung der Gebrauchsrechte der Wohnungseigentümer darstelle. Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

In Rechtsprechung und Schrifttum ist allgemein anerkannt, daß das Musizieren ebenso wie das Abspielen von Musik durch Tonwiedergabegeräte gegen den Willen eines Wohnungsinhabers/Wohnungseigentümers nicht gänzlich untersagt, sondern nur unter Berücksichtigung der widerstreitenden Interessen aller Beteiligten in dem Maße beschränkt werden kann, daß weder die Entfaltungsmöglichkeit des Musizierenden noch das Ruhebedürfnis seiner Nachbarn unzumutbare Einbußen erleiden (vgl. OLG Hamm NJW 1981, 465; OLG Frankfurt am Main NJW 1985, 2138; BayObLG MDR 1985, 676; OLG Karlsruhe NJW RR 1989, 1179; Gramlich NJW 1985, 2131, 2132; Bärmann/Pick/Merle, WEG, 6. Aufl., § 15 Rdn. 9; Müller, Praktische Fragen des Wohnungseigentums, Rdnrn. 335, 336). Dabei wird es allgemein für zulässig gehalten, für das Musizieren einen zeitlichen Rahmen aufzustellen und die Musikausübung innerhalb dieses Rahmens auf eine bestimmte Anzahl von Stunden zu begrenzen (vgl. den Überblick bei Gramlich, aaO, S. 2132 unter IV.). Die täglich zulässige Spieldauer kann von den Umständen des Einzelfalles wie etwa der Bauweise und Schallisolierung der Wohnungen und der Art und Lautstärke des Instruments und der bevorzugten Musik abhängen (vgl. OLG Karlsruhe aaO). Geringer ist der Spielrahmen dagegen bei der Festlegung des zeitlichen Rahmens, innerhalb dessen die zeitlich begrenzte Musikausübung zulässig sein soll. Hier werden Beschränkungen, die über die allgemein anerkannten Ruhezeiten (von 13.00 Uhr bis 15.00 Uhr und von 22.00 Uhr bis 8.00 Uhr) hinausgehen, überwiegend für unzulässig gehalten (vgl. OLG Hamm, BayObLG, OLG Karlsruhe sowie Gramlich, jeweils aaO). Dieser Auffassung neigt auch der Senat zu.

Nach diesen Maßstäben erweist sich die in § 7 Nr. 1 Satz 1 der am 10. August 1989 beschlossenen Hausordnung getroffene Regelung als eine zu weitgehende und damit unzulässige Beschränkung des Rechts der Wohnungseigentümer zur Nutzung ihres Sondereigentums. Dies zum einen deshalb, weil für die Zeit zwischen 17.00 Uhr und 22.00 Uhr ein schutzwürdiges, das Recht auf Musizieren überwiegendes Ruhebedürfnis nicht anzuerkennen ist. Zum andern hätte eine zeitliche Begrenzung auf die Zeit von 10.00 Uhr bis 12.00 Uhr und von 15.00 Uhr bis 17.00 Uhr zur Folge, daß berufstätige Wohnungseigentümer oder Mieter nur an den Wochenenden in der Wohnung musizieren könnten. Das käme für den weitaus größten Teil der Woche faktisch einem unzulässigen Verbot des Musizierens gleich.

Da die Beschwerdekammer die das Musizieren betreffende Bestimmung der Hausordnung nach alledem zu Recht für ungültig erklärt hat, war die hiergegen gerichtete weitere Beschwerde zurückzuweisen. Die Entscheidung über die Gerichtskosten beruht auf § 47 Satz 1 WEG. Da die Antragsgegner im Rechtsbeschwerdeverfahren unterlegen sind, entspricht es billigem Ermessen, ihnen die Gerichtskosten dieses Verfahrens aufzuerlegen. Dagegen gebietet es die Billigkeit nicht, auch die Erstattung außergerichtlicher Kosten anzuordnen (§ 47 Satz 2 WEG).

Den Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat der Senat gemäß § 48 Abs. 2 WEG in Anlehnung an die unbeanstandet gebliebene Wertfestsetzung beider Vorinstanzen festgesetzt.

 

Unterschriften

Paulsen, Giersch, Ball

 

Fundstellen

Haufe-Index 513944

OLGZ 1991, 39

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