Leitsatz (amtlich)

Ein Studienaufenthalt in den USA kann das Ausbleiben in der Hauptverhandlung in einem Bußgeldverfahren genügend entschuldigen.

 

Verfahrensgang

AG Speyer (Entscheidung vom 18.11.2019; Aktenzeichen 8c OWi 5087 Js 15092/19 (2))

 

Tenor

  1. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Speyer vom 18. November 2019 mit den Feststellungen aufgehoben.
  2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an die selbe Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.
 

Gründe

Das Polizeipräsidium Rheinpfalz hat am 31. Januar 2019 gegen den Betroffenen einen Bußgeldbescheid erlassen, durch welches es ihn wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 58 km/h mit einer Geldbuße in Höhe von 680 Euro und einem einmonatigen Fahrverbot belegt hat. Seinen hiergegen rechtzeitig eingelegten Einspruch hat das Amtsgericht mit Urteil vom 18. November 2019 gem. § 74 Abs. 2 OWiG wegen unentschuldigten Ausbleibens des Betroffenen zum Termin verworfen. Hiergegen richtet sich die mit der Sachrüge und Verfahrensbeanstandungen begründete Rechtsbeschwerde des Betroffenen.

Der Einzelrichter des Senats hat die Sache durch Beschluss vom heutigen Tag gem. § 80a Abs. 3 S. 1 OWiG an den Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.

I.

Die Rechtsbeschwerde ist begründet, weil die Voraussetzungen für eine Einspruchsverwerfung nach § 74 Abs. 2 OWiG nicht gegeben waren.

1.

Der Rüge, die Voraussetzungen für die Verwerfung des Einspruchs ohne sachliche Prüfung hätten nicht vorgelegen, liegt nach dem Rechtsbeschwerdevorbringen und den schriftlichen Urteilsgründen folgendes Prozessgeschehen zugrunde:

Der Betroffene ist am 18. September 2019 nach Frankfurt gereist, um von dort am 19. September zu einem mehrmonatigen, bis Ende Juni 2020 geplanten Studienaufenthalt in die USA zu fliegen. Am 20. September 2019 wurde die Ladung zu dem auf den 18. November 2019 bestimmten Hauptverhandlungstermin im Wege der Ersatzzustellung (Einwurf in den Briefkasten) unter der (bisherigen) Wohnadresse des Betroffenen in S zugestellt. In der Folgezeit hat das Amtsgericht mehrere Verlegungsanträge des Verteidigers, die mit dem Studienaufenthalt des Betroffenen in den USA begründet worden waren, abgelehnt. Zum Hauptverhandlungstermin vom 18. November 2019 war der von der Erscheinungspflicht nicht entbundene Betroffene nicht erschienen. In den schriftlichen Gründen des im Termin ergangenen Verwerfungsurteils hat das Amtsgericht u.a. ausgeführt:

"Der Termin wurde dem Verteidiger bereits am 23. August 2019 telefonisch mitgeteilt. Eine Mitteilung, dass der Betroffene sich ab Ende September 2019 in den USA aufhält, erfolgte zunächst nicht.

Das Gericht hat bei der Frage der Terminverlegung berücksichtigt, dass der Betroffene eine weite Anreise aus den USA zu dem Termin hat. Es hat daher angeboten, Ausweichtermine zu benennen, während der sich der Betroffene in Deutschland aufhält. Daraufhin wurde mitgeteilt, der Betroffene halte sich ununterbrochen bis Ende Juni 2020 in den USA auf.

Insoweit war ferner zu berücksichtigen, dass seine dringend gebotene Anwesenheit zur Klärung der Fahrereigenschaft erst im Juli 2020 gewährleistet gewesen wäre. Die Verfolgungsverjährungsfrist beträgt aber sechs Monate. Nur durch im Hinblick auf das bisher angeordnete Fahrverbot von einem Monat nicht zu rechtfertigende Schiebetermine hätte daher die Verfolgungsverjährung unterbrochen werden können. Dabei war auch zu berücksichtigen, dass der Vorfall mehr als ein Jahr zurückliegt. Auch die Beauftragung eines anthropologischen Sachverständigen macht keinen Sinn, da sich zum einen das Gericht selbst von der Fahrereigenschaft überzeugen muss und zum anderen der Sachverständige wegen der Ortsabwesenheit den Betroffenen nicht rechtzeitig untersuchen kann."

2.

a) Soweit die Rechtsbeschwerde eine verfahrensfehlerhafte Behandlung der Terminverlegungsanträge beanstandet, ist die Rüge aus den von der Generalstaatsanwaltschaft in der Antragsschrift vom 19. Juni 2020 (dort unter 1 b) dargestellten Gründen nicht in einer den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG genügenden Weise erhoben.

b) Die Rüge dringt auch nicht im Hinblick auf die Behauptung fehlerhafter Ersatzzustellung durch. Dahinstehen kann, ob die Rüge bereits daran scheitert, dass nicht mitgeteilt ist, ob der Betroffene das Ladungsschreiben über Familienangehörige oder Bekannte in die USA nachgesendet erhalten hat. Denn jedenfalls würde das Urteil nicht auf einer fehlerhaften Ladung beruhen. Ladungsmängel hindern die Säumnisfolgen nur, wenn sie ursächlich dafür sind, dass der erscheinungswillige Betroffene an der Verhandlung nicht hat teilnehmen können (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 03.12.1999 - Ss 566/99 (B) - 260 B, NStZ-RR 2000, 179, 180; OLG Hamm, Beschluss vom 31.07.2008 - 3 Ss 288/08, NStZ-RR 2008, 380; Hettenbach in BeckOK-OWiG, 26. Ed. 01.04.2020, OWiG § 74 Rn. 38). Steht hingegen fest, da...

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