Leitsatz (amtlich)

Ein in einem Privatschulvertrag vereinbartes "Probejahr" mit beidseitiger Kündigungsmöglichkeit ist mit §§ 305 ff. BGB vereinbar. Eine in diesem "Probejahr" ausgesprochene Kündigung des Vertrages ist mit Rücksicht auf die Nachteile, die die Beendigung des Schulverhältnisses für den weiteren Lebensweg eines Schülers mit sich bringen kann, unwirksam, wenn sie als rechtsmissbräuchlich nach § 242 BGB einzustufen ist.

 

Normenkette

BGB §§ 242, 305, 305 ff.

 

Verfahrensgang

LG Frankenthal (Pfalz) (Beschluss vom 18.08.2021; Aktenzeichen 7 O 263/21)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 02.09.2021, eingegangen bei Gericht am selben Tag, gegen den Beschluss des Einzelrichters der 7. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal/Pfalz vom 18.08.2021, 7 O 263/21, zugestellt an die Antragsstellerin am 21.08.2021, wird zurückgewiesen.

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.001 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin hat beim Landgericht beantragt, dem Antragsgegner durch einstweilige Verfügung aufzugeben, bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an dem Geschäftsführer, Herrn C... F..., der Schülerin T... L... B..., geb. am ..., wohnhaft, M..., 6... F... bis zum Ablauf des Schuljahres 2021/2022 die Teilnahme am Schulunterricht in der J...-B...-S..., 6... F... zu gestatten.

Dieser Antrag beruht darauf, dass der Antragsgegner mit Schreiben vom 30.04.2021 (46 eA) den Schulvertrag vom 08.04.2020 (39 eA), den die Antragstellerin für ihre Tochter mit dem Antragsgegner abgeschlossen hatte, zum Ende des ersten Schuljahres gekündigt hatte. Die Kündigung wurde mit einem zerstörten Vertrauensverhältnis begründet. Zum Schulbeginn am 20.04.2021 hatte die Antragstellerin mit Eltern anderer Schüler Anschuldigungen gegen die coronabedingte beschränkte Anordnung der Maskenpflicht und deren Durchsetzung bei den durch ein ärztliches Attest (42 f. eA) befreiten Schülern gegenüber einer Lehrkraft vorgebracht und ein Schreiben vom 19.04.2021 (44 eA) übergeben. Im Nachgang zur Kündigung vom 30.01.2021 hat es mehrere Schriftwechsel der Parteien auch unter Beteiligung der Schlichtungs- und Beschwerdestelle beim Bund der F... W... e.V. gegeben (47 ff. eA).

Das Landgericht hat den Erlass einer einstweiligen Verfügung mit Beschluss vom 18.08.2021 zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass der Antragsgegner bereits nach dem von der Antragsstellerin gehaltenen Vortrag berechtigt gewesen ist, das zwischen den Parteien bestehende Schulverhältnis zu kündigen (vgl. zu den Einzelheiten der Begründung Beschluss vom 18.08.2021).

Hiergegen hat die Antragsstellerin Beschwerde eingelegt und insbesondere ausgeführt, dass die Kündigung des Antragsgegners lediglich darauf gestützt worden sei, dass die Vertrauensbasis zwischen Elternhaus und Schule dauerhaft gestört sei und daher die Grundlage einer Zusammenarbeit zum Wohle des Kindes nicht mehr vorhanden sei. Auf die darüberhinausgehenden Erwägungen des Landgerichts, ob dieser Grund die erforderliche Schwere aufweise, komme es daher nicht an. Ferner verkenne die Kammer, dass die Antragstellerin nicht eingeräumt habe, dass sie die Klassenlehrerin am 20.04.2021 unangemeldet vor der Klasse verbal laut bedrängt habe. Sie habe lediglich die Begründung des Antragsgegners wiedergegeben. Zudem habe sie das Schreiben vom 20.04.2021 nicht selbst verfasst und im Nachgang Schritte unternommen, insbesondere ein schriftliches Entschuldigungsschreiben verfasst und Gespräche mit Lehrern geführt, um mit dem Antragsgegner wieder ins Einvernehmen zu kommen. Das Landgericht mutmaße zu Unrecht, dass dieses Entschuldigungsschreiben lediglich auf Anraten der Beschwerdestelle der F... W... erfolgt sei. Zudem habe die Kammer nicht erwogen, dass es der Tochter der Antragsstellerin aus medizinischen Gründen nicht zumutbar sei, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, was dem Antragsgegner bekannt gewesen sei. Dennoch habe die Klassenleiterin der Tochter die Mund-Nasen-Bedeckung aufgesetzt, mit der Folge, dass diese entgegen ärztlicher Feststellungen habe getragen werden müssen, was die Annahme einer massiven Ausnahmesituation zugunsten der besorgten Mutter und Antragsstellerin rechtfertige. Die Einreichung des Antrags erst am 16.08.2021 könne ihr nicht zum Nachteil gereichen, da erst die Zusage der Rechtsschutzversicherung habe abgewartet werden müssen und der Schulbetrieb ohnehin erst am 30.08.2021 begonnen habe. Wegen der weiteren Einzelheiten der Beschwerdebegründung wird auf den Schriftsatz vom 02.09.2021 verwiesen.

Nach Erlass eines begründeten Nichtabhilfebeschlusses vom 03.09.2021 hat das Landgericht das Verfahren dem Beschwerdegericht vorgelegt. Wegen der Begründung des Nichtabhilfebeschlusses wird auf diesen verwiesen.

II. Die nach §§ 567 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, 56...

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