Leitsatz (amtlich)

Dem ausschließlich für die Eröffnung des Haftbefehls beigeordneten Pflichtverteidiger steht der volle Gebührenanspruch zu.

 

Verfahrensgang

LG Kaiserslautern (Entscheidung vom 02.03.2023; Aktenzeichen 5 Qs 148/22)

 

Tenor

Auf die weitere Beschwerde des Pflichtverteidigers Rechtsanwalt Y wird der Beschluss der 5. Strafkammer des Landgerichts Kaiserslautern vom 02.03.2023 aufgehoben und die dem Pflichtverteidiger aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf 709,24 € festgesetzt.

Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I.

Der Angeklagte ist am 17.03.2022 vorläufig festgenommen worden. Das Amtsgericht hat gegen ihn am 18.03.2022 Haftbefehl (2a Gs 664/22) erlassen, der am selben Tag eröffnet worden ist. In dem Termin ist der Beschwerdeführer anwesend gewesen. Der Angeklagte hat von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft hat beantragt, den Haftbefehl aufrechtzuerhalten und in Vollzug zu setzen. Der Beschwerdeführer hat beantragt, den Haftbefehl außer Vollzug zu setzen. Das Amtsgericht hat daraufhin den Haftbefehl aufrechterhalten und in Vollzug gesetzt. Weiterhin hat es folgenden Beschluss erlassen:

1. Dem Beschuldigten wird Rechtsanwalt Y, Kaiserslautern, als Pflichtverteidiger für den heutigen Haftbefehlseröffnungstermin gem. §§ 140 Abs. 1 Nr. 4, 141 Abs. 4 StPO beigeordnet.

2. Dem Beschuldigten wird Rechtsanwalt Z, Darmstadt, gem. §§ 140 Abs. 1 Nr. 4, 141 Abs. 4 StPO beigeordnet.

3. Dem Pflichtverteidiger Rechtsanwalt Z werden zwei Besuchsfahrten in die Justizvollzugsanstalt unter Hinzuziehung eines Dolmetschers genehmigt.

Der Beschwerdeführer hat für seine Tätigkeit Gebühren und Auslagen in Höhe von 866,32 € abgerechnet (Grundgebühr, Verfahrensgebühr sowie Terminsgebühr ≪Nr. 4109 RVG-VV≫ jeweils mit Zuschlag und eine Pauschale für Post und Telekommunikation zuzüglich Umsatzsteuer). Mit Beschluss vom 02.05.2022 ist die Pflichtverteidigervergütung auf 217,77 € festgesetzt worden (Terminsgebühr ≪Nr. 4103 RVG-VV≫ zuzüglich Umsatzsteuer). Der dagegen gerichteten Erinnerung des Beschwerdeführers hat die Rechtspflegerin beim Amtsgericht nicht abgeholfen. Der Richter beim Amtsgericht hat mit Beschluss vom 04.11.2022 die Pflichtverteidigervergütung auf 655,69 € festgesetzt (Grundgebühr sowie Terminsgebühr ≪Nr. 4109 RVG-VV≫ jeweils mit Zuschlag und eine Pauschale für Post und Telekommunikation zuzüglich Umsatzsteuer). Dagegen hat sowohl die Landeskasse als auch der Beschwerdeführer Rechtsmittel eingelegt. Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Kammerbeschluss das Rechtsmittel des Beschwerdeführers verworfen, auf die Beschwerde der Landeskasse die Pflichtverteidigervergütung auf 498,61 € festgesetzt (Grundgebühr sowie Terminsgebühr ≪Nr. 4103 RVG-VV≫ jeweils mit Zuschlag und eine Pauschale für Post und Telekommunikation ≪20 €≫ zuzüglich Umsatzsteuer) und die weitere Beschwerde gegen seine Entscheidung zugelassen. Gegen die am 13.03.2023 zugestellte Beschwerdeentscheidung hat der Beschwerdeführer mit dem am 14.03.2023 bei dem Landgericht eingegangenen Schriftsatz weitere Beschwerde eingelegt, soweit die Verfahrensgebühr abgesetzt worden ist. Das Landgericht hat dem Rechtsmittel mit Beschluss vom 20.03.2023 nicht abgeholfen.

Die Vertreterin der Landekasse ist gehört worden. Sie ist der Entscheidung des Landgerichts beigetreten.

II.

Über das Rechtsmittel hat gem. § 33 Abs. 8 Satz 1 Halbs. 2 RVG der Senat zu entscheiden.

Die weitere Beschwerde ist gem. § 33 Abs. 6 Satz 1 RVG zulässig. Auf den Beschwerdewert kommt es nicht an, soweit das Rechtsmittel - wie hier - zugelassen worden ist (OLG Stuttgart, Beschluss vom 04.10.2006 - 8 W 360/06 -, Juris). Das Rechtsmittel ist gem. § 33 Abs. 6 Satz 4, Abs. 3 Satz 3 RVG fristgemäß eingelegt worden.

Der Senat hat den angefochtenen Beschluss umfassend rechtlich zu überprüfen. Ein Verschlechterungsverbot gilt nicht; denn weder die Strafprozessordnung noch das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz sehen ein solches für das Beschwerdeverfahren vor (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23.05.1990 - 1 Ws 300/90 -, Juris; Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 02.08.2010 - 2 Ws 95/10 -, Juris; Landgericht Zweibrücken, Beschluss vom 02.12.2020 - 1 Qs 33/20 -, Juris).

Die auf die weitere Beschwerde gem. § 33 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 1 RVG veranlasste rechtliche Überprüfung führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, soweit die Verfahrensgebühr (4105 RVG-VV) abgesetzt worden ist.

Zu Recht ist das Landgericht allerdings davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer seine Tätigkeit nach Anlage 1 Teil 4 Abschnitt 1 VV abrechnen kann. Diese Gebührentatbestände - und nicht diejenigen in Anlagen Teil 4 Abschnitt 3 VV - gelten nach ganz überwiegender Auffassung, der sich der Senat anschließt, auch für den Verteidiger, dessen Beistandsleistung sich auf einen einzelnen Termin beschränkt (a. A. im Falle eines Hauptverhandlungstermins unter bestimmten Umständen: OLG Rostock, Beschluss vom 15.09.2011, 1 Ws 201/11...

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