Leitsatz (amtlich)

Die Höhe der nach § 1361b Abs. 3 Satz 2 BGB festzusetzenden Nutzungsvergütung bemisst sich nach Billigkeitsgesichtspunkten unter Berücksichtigung der gesamten Lebensverhältnisse der Ehegatten. Neben dem objektiven Mietwert haben folgende Einzelfallaspekte Einfluss auf die Anspruchshöhe:

Lauf des Trennungsjahres

Betreuung und Versorgung eines gemeinsamen minderjährigen Kindes ohne Regelung des Kindesunterhaltes

Zusammenleben mit einem gemeinsamen volljährigen Kind

Beitrag des bleibenden Ehegatten am Hausbau (auf fremdem Grundstück)

Geschäftliche Verflechtungen der Eheleute (hier: bewusste Geringhaltung des Einkommens, um die Vollstreckung durch Altgläubiger zu vermeiden).

 

Normenkette

BGB § 1361b Abs. 3 S. 2

 

Verfahrensgang

AG Ludwigshafen (Aktenzeichen 5c F 392/20)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Ludwigshafen am Rhein vom 10. Februar 2021 geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst: a. Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin als laufende Nutzungsvergütung für die Dauer der alleinigen Nutzung des Anwesens Hauptstraße 234 in Ludwigshafen am Rhein ab Juli 2021 - längstens bis zur Rechtskraft der Ehescheidung - monatlich 1.000,00 EUR zu zahlen. b. Der Antragsgegner wird verpflichtet, für den Zeitraum von Februar 2020 bis Juni 2021 eine rückständige Nutzungsvergütung in Höhe von

14.000,00 EUR zu zahlen, dies nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Teilbetrag von 1.000,00 EUR ab 26. Februar 2020. c. Der weitergehende Antrag der Antragstellerin wird abgewiesen.

2. Die weitergehende Beschwerde des Antragsgegners wird zurückgewiesen.

3. Die Beteiligten haben die Gerichtskosten beider Instanzen jeweils zur Hälfte zu tragen; eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beteiligten findet für beide Instanzen nicht statt.

4. Der Verfahrenswert wird für beide Instanzen - für das erstinstanzliche Verfahren in Abänderung des Verfahrenswertbeschlusses vom 11. Februar 2021 - auf 6.000,00 EUR festgesetzt.

5. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Beteiligten sind getrennt lebende Eheleute und streiten um Nutzungsentschädigungsansprüche für den Zeitraum ab Januar 2020.

Während der Ehezeit bewohnten sie das freistehende Einfamilienhaus in der H... in ... das im Jahr 1998 erbaut wurde, eine Wohnfläche von 230 qm aufweist und über zwei Carports, einen Pool und ein Grillhaus im Garten sowie einen Wintergarten mit Whirlpool verfügt. Ursprünglich hatten die Eheleute das Anwesen auf einem Grundstück des Vaters der Antragsgegnerin errichtet, der das Eigentum an der Liegenschaft später auf die Antragstellerin zu Alleineigentum übertragen hat.

Bis Juni 2020 war der Antragsgegner bei der T... beschäftigt, deren Mehrheitsgesellschafterin die Antragsgegnerin ist. Das Einkommen des Antragsgegners haben die Beteiligten mit circa 2.350,00 EUR brutto so bemessen, dass es dem Zugriff der Altgläubiger des Antragsgegners weitgehend entzogen gewesen ist.

Mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 13. Mai 2019 (Bl. 4 AG) erklärte die Antragstellerin gegenüber dem Antragsgegner, dass sie ab sofort von einer "Trennung im Sinne des Gesetzes" ausgehe. Zum 1. Dezember 2019 ist die Antragstellerin aus dem Hausanwesen ausgezogen. Im Anwesen ist neben dem Antragsgegner noch die gemeinsame Tochter F... verblieben, die im August 2020 18 Jahre alt geworden ist und im Sommer 2020 die Berufsschule abgebrochen hat. Eine konkrete Unterhaltsregelung für die Tochter F... wurde nicht getroffen; die Antragstellerin hat weiterhin Kosten für ein Reitpferd (400 EUR monatlich) und diverse weitere Kosten (u.a. MAXX-Ticket, Handyrate, Versicherungen) übernommen.

Mit Anwaltsschriftsatz vom 27. Januar 2020 hat die Antragstellerin den Antragsgegner zur Zahlung einer monatlichen Nutzungsentschädigung in Höhe von 2.000,00 EUR aufgefordert, die sie der Höhe nach unter Bezugnahme auf den Mietspiegel der Stadt ... und die gehobene Ausstattung des Anwesens begründet hat.

Das Amtsgericht - Familiengericht - Ludwigshafen am Rhein hat den Antragsgegner mit Beschluss vom 25. Januar 2021 dazu verpflichtet, eine Nutzungsentschädigung für die Monate Januar bis Mai 2020 in Höhe von monatlich 500,00 EUR und ab Juni 2020 in Höhe von monatlich 2.000,00 EUR zu zahlen. Weiterhin hat das Familiengericht den Antragsgegner zur Zahlung von Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 1.000,00 EUR ab 26. Februar 2020 verpflichtet.

Zur Begründung hat das Familiengericht angeführt.

  • Der Anspruch folge aus § 1361b Abs. 3 Satz 2 BGB.
  • Eine monatliche Miete von 2.000,00 EUR entspreche einem Quadratmeterpreis von 8,70 EUR, der marktüblich sei.
  • Während des Trennungsjahres sei der geschätzte Wohnwert für eine eheangemessene kleinere Wohnung in Höhe von 500,00 EUR in Ansatz zu bringen.
  • Die Trennung der Beteiligten sei aufgrund des Anwaltsschriftsatzes ("Bekanntgabe Trennung") vom 13. Mai 2019 erfolgt.
  • Die Umstände der Erric...

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