Leitsatz (amtlich)

Keine Wiedereinsetzung für anwaltlich vertretenen Beteiligten bei falscher Rechtsmittelbelehrung und verspäteter Beschwerde hinsichtlich Ordnungsmittel zur Durchsetzung des Umgangsrechts (im Anschluss an BGH FamRZ 2012, 1287).

 

Normenkette

FamFG §§ 17, 87 Abs. 4, §§ 89, 11 S. 5; ZPO § 85 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Germersheim (Beschluss vom 12.10.2012; Aktenzeichen 2 F 145/12)

 

Tenor

I. Der Antrag des Antragsgegners, ihm gegen die Versäumung der Beschwerdefrist Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu gewähren, wird zurückgewiesen.

II. Die sofortige Beschwerde wird als unzulässig verworfen.

III. Der Antragsgegner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

IV. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

V. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 500 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Der Antragsgegner wendet sich mit seinem Rechtsmittel gegen die Festsetzung einer Ordnungsgeldes, ersatzweise Ordnungshaft, zum Zwecke der Durchsetzung einer im vorausgegangenen Verfahren 2 F 235/11 ergangenen Umgangsregelung.

Mit der Begründung, der Antragsgegner habe hiergegen schuldhaft verstoßen, hat die Antragstellerin die Festsetzung eines Ordnungsgeldes beantragt. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Familiengericht gegen den Vater ein Ordnungsgeld i.H.v. 500 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, angeordnet. Die dem Beschluss angefügte Rechtsmittelbelehrung weist u.a. auf das Rechtsmittel der Beschwerde hin. Weiter heißt es:

"Die Beschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat bei dem ... einzulegen".

Der Beschluss ist dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners am 26.10.2012 zugestellt worden. Mit am 26.11.2012 eingegangenem Schriftsatz vom selben Tag hat er Beschwerde eingelegt. Nach Hinweis auf § 87 Abs. 4 FamFG durch den Senat verweist der Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners auf die vom Familiengericht erteilte Rechtsmittelbelehrung.

II. Die Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen, da sie nicht innerhalb der 2-Wochen-Frist der §§ 87 Abs. 4 FamFG, 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO eingelegt worden ist und Wiedereinsetzung in die versäumte Frist nicht gewährt werden kann.

1. Zunächst ist die Frist zur Einlegung der Beschwerde, die gem. §§ 87 Abs. 4 FamFG, 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO zwei Wochen beträgt, versäumt. Denn nach Zustellung der angefochtenen Entscheidung am 26.10.2012 ist die Rechtsmittelschrift erst einen Monat später am 26.11.2012 bei Gericht eingegangen. Somit ist die Beschwerdefrist nicht gewahrt.

2. Dem Antragsgegner kann auch keine Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist gewährt werden. Ihm ist vielmehr (Mit-) verschulden seines Verfahrensbevollmächtigten nach §§ 11 Satz 5 FamFG, 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen. Zunächst wertet der Senat den Hinweis auf die unrichtige Rechtsmittelbelehrung durch das Familiengericht als Wiedereinsetzungsantrag.

Gemäß § 17 Abs. 2 FamFG wird ein Fehlen des Verschuldens vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Diese Vorschrift dient jedoch in erster Linie dem Schutz des Rechtskundigen. Ist ein Beteiligter - wie hier der Antragsgegner - erstinstanzlich anwaltlich vertreten gewesen, gilt dies nicht uneingeschränkt. Zwar darf auch ein Rechtsanwalt grundsätzlich auf die Richtigkeit einer durch das Gericht erteilten Rechtsbehelfsbelehrung vertrauen, von ihm muss aber erwartet werden, dass er die Grundzüge des Verfahrensrechts und des Rechtsmittelsystems in der jeweiligen Verfahrensart kennt. Ein Vertrauensschutz greift deshalb nur dann ein, wenn die inhaltlich fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung zu einem unvermeidbaren, zumindest aber zu einem nachvollziehbaren und daher verständlichen Rechtsirrtum auf Seiten des Rechtsanwalts geführt hat. In Fällen einer inhaltlich unrichtigen Rechtsmittelbelehrung kann es daher an der Ursächlichkeit zwischen Belehrungsmangel und Fristversäumnis fehlen, wenn die durch das Gericht erteilte Rechtsmittelbelehrung offenkundig falsch gewesen ist und deshalb - ausgehend von dem beim Rechtsanwalt vorausgesetzten Kenntnisstand - nicht einmal den Anschein der Richtigkeit zu erwecken mochte (vgl. zum Ganzen: BGH FamRZ 2012, 1287 ff.).

Ein solcher Fall ist hier gegeben, weil die erteilte Rechtsmittelbelehrung nicht geeignet ist, von einem nachvollziehbaren und daher (noch) verständlichen Rechtsirrtum des Rechtsanwalts auszugehen. (vgl. etwa zum Anwaltszwang im selbständigen Familienstreitverfahren BGH, a.a.O.; zur Beschwerdefrist im einstweiligen Anordnungsverfahren zuletzt OLG Saarbrücken, Beschl. v. 7.11.2012 - 6 UF 390/12, juris). Der Antragsgegner war hier im gesamten Verfahren anwaltlich vertreten. Dass sein Verfahrensbevollmächtigter auf die Richtigkeit der Rechtsmittelbelehrung vertraut hat, ist nicht als ursächlich für die Fristversäumung anzuerkennen. Denn der ihm hierbei unterlaufende Rechtsirrtum kann nicht als nachvollziehbar bzw. unvermeidbar eingestuft werden.

Von einem Rechtsanwalt ist grundsätzlich zu erwarten, dass er sich über die Voraussetzung für die Einlegung eines Rechtsmittels, und d...

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