Leitsatz (amtlich)

1. Auch in der Hausratsversicherung besteht ein konkludenter Regressverzicht des Versicherers, der zugleich Gebäudeversicherer ist, für die Fälle, in denen der Wohnungsmieter einen Brandschaden am Gebäude und am Hausrat des im selben Haus wohnenden Vermieters durch einfache Fahrlässigkeit verursacht hat (Fortführung von BGH v. 8.11.2000 – IV ZR 298/99, BGHZ 145, 393 = MDR 2001, 272 = BGHReport 2001, 66).

2. Dieser Regressverzicht wirkt auch zugunsten der mit dem Mieter in häuslicher Gemeinschaft lebenden Ehefrau.

 

Verfahrensgang

LG Ulm (Urteil vom 21.08.2003; Aktenzeichen 6 O 107/03)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 13.09.2006; Aktenzeichen IV ZR 26/04)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der Einzelrichterin der 6. Zivilkammer des LG Ulm vom 21.8.2003 – 6 O 107/03 – wird zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

3. Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des vollstreckbaren Betrages zzgl. eines Aufschlages von 10 % abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.d. zu vollstreckenden Betrages zzgl. eines Aufschlages von 10 % leistet.

Streitwert der Berufung: 10.484,92 Euro.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht als Hausratversicherer Rückgriffsansprüche gegen die Beklagte geltend.

Der Versicherungsnehmer der Klägerin war Eigentümer eines 1 1/2-geschossigen Zweifamilienhauses in B. Zwischen der Klägerin und ihrem Versicherungsnehmer bestand eine Gebäudeversicherung und eine Hausratversicherung jeweils unter Einschluss des Feuerrisikos. Der Versicherungsnehmer bewohnt das Erdgeschoss des Hauses. Das Dachgeschoss war an den Ehemann der Beklagten vermietet, der dort mit der Beklagten und den gemeinsamen beiden Kindern wohnte.

Am 29.5.2001 kehrte die Beklagte mit ihren damals 5 und 10 Jahre alten Kindern aus dem Urlaub in die Wohnung zurück, nachdem sie ihren Ehemann an dessen Dienststelle abgesetzt hatte. Während des etwa einstündigen Aufenthalts in der Wohnung rauchte die Beklagte eine Zigarette auf dem Balkon. Ca. 35 Minuten, nachdem sie mit ihren Kindern das Haus verlassen hatte, brach Feuer im hinteren Teil des Balkons der Dachgeschosswohnung aus. Das Dachgeschoss brannte aus. Der Hausrat des Versicherungsnehmers wurde durch Rauch- und Rußbeaufschlagung sowie durch Löschwasser erheblich beschädigt.

Die Klägerin leistete an den Versicherungsnehmer im Rahmen der Hausratsversicherung auf Neuwertbasis 42.481,51 Euro.

Die Klägerin trägt vor, für den Umfang des Versicherungsschutzes seien die Allgemeinen Hausratversicherungsbedingungen (VHB 92) maßgeblich.

Das Feuer sei entweder darauf zurückzuführen, dass die Beklagte unvorsichtig Zigarettenglut in den Abfalleimer auf dem Balkon geworfen habe oder möglicherweise auch bloß aus Unachtsamkeit Zigarettenglut im Bereich der auf dem Balkon befindlichen Kartonagen verloren oder sogar abgeklopft habe. Oder die Kinder der Beklagten hätten auf dem Balkon gezündelt, weil die Beklagte ihrer Aufsichtspflicht nicht nachgekommen sei.

Die Beklagte bestreitet die Brandlegung durch sie selbst oder ihre Kinder. Die Kinder seien in regelmäßigen Abständen auf die Feuergefahren und das Verbot des Zündelns hingewiesen worden. Sie hätten am Feuer kein Interesse.

Ergänzend wird auf die Feststellungen des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO).

Das LG hat die Klage abgewiesen, weil die Klägerin ggü. ihrem Versicherungsnehmer auf den Regress gegen den Mieter und die mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebenden Personen wegen durch einfache Fahrlässigkeit verursachter Schäden verzichtet habe. Es sei nicht nachgewiesen, dass die Beklagte den Schaden grob fahrlässig oder vorsätzlich verursacht habe.

Dagegen wendet sich die Klägerin unter Vertiefung und Erweiterung ihres Vorbringens, insb. in rechtlicher Hinsicht.

Die Klägerin beantragt:

Unter Aufhebung des Urteils des LG Ulm vom 21.8.2003 wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 10.484,92 Euro nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.5.2002 sowie außergerichtliche Kosten i.H.v. 5 Euro zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil.

II. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das angefochtene Urteil weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Klägerin auf (§ 513 ZPO).

Zu Recht hat das LG angenommen, dass die Klägerin die Beklagte nicht in Regress nehmen kann (§ 67 VVG i.V.m. §§ 823, 832 BGB). Die Klägerin muss sich den im Hausratversicherungsvertrag mit ihrem Versicherungsnehmer vereinbarten Regressverzicht für den Fall, dass der Wohnungsmieter oder die Beklagte als mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebende Ehefrau einen Brandschaden durch einfache Fahrlässigkeit verursacht hat, entgegenhalten lassen.

1.a) Der BGH hat in seinem Urteil vom 8.11.2000 (BGH, Urt. v. 8.11.2000 – IV ZR 298/99, BGHZ 145, 393 = MDR 2001, 272 = BGHReport 2001, 66), ...

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